Zum Gorilla-Trekking ins Herz Afrikas
Uganda-Reisebericht 2006
P R O L O G
In der Regel pflege ich mir kleine Blessuren ja erst während des Urlaubs zu holen.
Nichts Dramatisches, aber auch nicht ungewöhnlich, wenn man sich, wie ich, standhaft weigert, seine Ferien unter einem Sonnenschirm an malerischen Stränden zu verbringen. Diesmal allerdings habe ich das schon vor dem Urlaub erledigt.
Am Abend des 23.5.06, zwei Tage vor der Abreise – ich war mit dem Rad auf dem Weg ins Kino – kommt mir auf dem Radweg des Hindenburgdamms eine 13Jährige aus der „falschen“ Richtung entgegen. Wir versuchen uns auszuweichen, leider aber beide zur selben Seite, so dass wir letztlich doch frontal zusammenknallen.
Ergebnis: eine blutende Platzwunde über der Augenbraue, ein oberer Eckzahn abgebrochen, die Gabel meines Fahrrads gestaucht. Während ich mich aufrapple, den Zahn ausspucke, fluche ich: Das wird teuer! Wie kann ich in solch einer Situation nur an Geld denken?
Das Mädchen aber scheint’s gehört zu haben, denn sie erzählt später, als sie verstört im Feuerwehrwagen sitzt, dass ihre Mutter von Hartz IV plus einem Mini-Job lebt.
Wir dürfen uns also schon mal drauf einrichten, dass wir auf unseren Kosten sitzen bleiben werden – ich auf denen für die Reparatur meines Rades und meine Krankenkasse auf den Kosten für die Zahnkrone. Aber es gibt Schlimmeres.
Etwas anderes macht mir viel mehr Sorgen: Zu den Gorilla-Trekkings werden nur gesunde Leute zugelassen, insbesondere niemand mit Infektionen. Mein Gesicht aber sieht nach dem Sturz ziemlich bunt aus. Den Innenwinkel meines linken Auges ziert ein roter Fleck, der sich wie ein Lidschatten ausbreitet und von dem ich noch nicht weiß, ob es eine Entzündung oder Folge der Prellung ist. Werden mich die Ranger überhaupt zur Wanderung zulassen?
Mit einer so sichtbaren Zahnlücke mag ich auch nicht auf Reisen gehen.
Am folgenden Tag, meinem letzten Arbeitstag vor dem Urlaub, gehe ich morgens zur Zahnärztin, zeige auf meine Blessuren und sage kurz und bündig:
Fahrradunfall, Zahn raus, morgen fliege ich nach Uganda!
Sie lacht: Ah ja! – Sonst noch was?
Zum Glück kann sie mir ein Provisorium einsetzen, das auch den ganzen Urlaub über halten wird. Dann kann’s ja losgehen . . .
25. 5. 06 Donnerstag
Der Taxifahrer, den ich per Telefon herbeirufe, ist entweder blöd oder ein Scherzkeks orientalischer Herkunft. Nachdem er mein Gepäck verladen hat und mit Angabe meines Fahrtziels losgefahren ist, fragt er: Verreisen Sie? Nein, sage ich, ich will zum Einkaufen. Im Flughafen Tempelhof existiert tatsächlich eine „Lounge“ für Busi-Gäste. Ausgestattet mit durchgesessenen schwarzen Ledersesseln, einer kleinen Bar, einem Fernseher und einer PC-Ecke hat sie den Charme der frühen Fünfziger wie der ganze Airport, den ich wegen der Abwesenheit von Massenansturm trotzdem sehr mag.
Mit leichter Verspätung startet die kleine Maschine, die nur 70 Passagiere fasst. Auch sehr gemütlich. Die ersten beiden Reihen sind den Busis vorbehalten, nur getrennt durch einen kurzen Vorhang über den Rückenlehnen. Die Sitze sind trotzdem sehr eng; ich stoße mit den Knien beim Vordermann an, habe aber die 3er-Reihe für mich allein und kann mich etwas ausbreiten.
Nach 1.15 Std. Flugzeit in Brüssel am Terminal A angekommen, muss ich mich wieder auf die lange Wanderung zur Gepäckausgabe machen. Auf einer Info-Tafel sehe ich, dass die Haltestelle der Shuttle-Busse direkt neben dem Ausgang liegt. Abfahrt alle halbe Stunde. Heute am Feier-, weil Himmelfahrtstag aber nur alle 45 Minuten. Fahrzeit 10 Minuten.
Das Express Hotel ist ein Ableger der Holliday Inn-Kette, mein Zimmer 312 eine enge Bude mit 2 Betten, wo ich ständig über meinen Koffer stolpere. Dafür ein schöner Ausblick auf ein nahe gelegenes Wäldchen, ein gut beleuchteter Schreibtisch und – welch ein Luxus – ein
Wasserkocher mit Tee- und Kaffeebeuteln!
Den vollen Preis von 100,– €, der an der Zimmertür angeschlagen ist, werden die Colibris hoffentlich nicht bezahlt haben für diese außerplanmäßige Zwischenübernachtung in Brüssel.
Ursprünglich wollte ich ja den Rest des Nachmittags in der Stadt verbringen, mir die alten Patrizierhäuser und das renovierte Atomium angucken. Aber nach dem Unfall habe ich ein Schlafdefizit, bin noch ziemlich angedätscht und lege mich um 15.30 Uhr erst mal hin.
Als ich 3 Stunden später wieder aufwache und in den Spiegel schaue, beschließe ich, mit dieser Visage heute nicht mehr unter die Leute zu gehen: Ich sehe aus als hätte mich mein Mann verprügelt.
Aber ich habe keine Kopfschmerzen, nur Hunger, und das ist immer ein gutes Zeichen.
Zum Obst und Ziegenkäse aus dem heimischen Kühlschrank mache ich mir einen Mate-Tee, ein Relikt meiner Peru-Reise, und schalte ganz entgegen meiner sonstigen Gewohnheit den Hotel-Fernseher an, finde einen unterhaltsamen holländischen Tierfilm über „Trek-Vogels“. Irgendwie passt das. Manchmal komme ich mir auch vor wie ein Zugvogel.
26. 5. 06 Freitag
05.30 Uhr.
Gern hätte ich etwas länger geschlafen, aber bei meiner Vorfreude auf den kommenden gemütlichen Flug nach Entebbe ist jeder Versuch weiterzuschlafen zwecklos.
In der irrigen Annahme, die nächsten 14 Tage kein warmes Bad nehmen zu können, lasse ich die Badewanne sparsam halbvoll laufen und weiche meine lädierten Glieder ein. Die Schnittwunde am rechten Zeigefinger fällt mir erst jetzt schmerzhaft auf. So mal eben das Gesicht abrubbeln, geht auch nicht. Trotzdem Schwamm drüber. Den Urlaub soll mir das alles nicht verderben.
Beim Anziehen fällt mir gerade noch rechtzeitig ein, dass ein Slip mit Metallschnallen an den Seiten beim security-check wahrscheinlich zu Irritationen führen könnte. Meine Wanderschuhe muss ich dort wegen der Metallverstärkung in den Sohlen eh immer ausziehen und gesondert scannen lassen.
Das Hotelfrühstück ist sehr müllreich – alles in abgepackten kleinen Portionen: Joghurt, Müsli-Beutelchen, Ziegenkäse und Camembert. Nur die Brötchen haben sie nicht eingewickelt.
Um 8.00 Uhr nehme ich den Shuttle-Bus direkt zum Untergeschoss des Terminal B.
Der Abflugschalter der SN Brussels liegt auf der 2. Etage gleich neben der Rolltreppe. Die Bordkarte hatte man mir schon gestern in Tempelhof gegeben. Es bleibt beim Gate B 5. Zunächst aber in die Lounge, denn ich habe schon wieder Hunger. Im Hotel habe ich noch nicht viel runtergekriegt. Der Kaffee aus dem Automaten schmeckt entsprechend, der Grapefruitsaft schon besser, die Zimt-Kekse und Mini-Schnecken . . . na ja.
Als ich aufs Klo muss, lasse ich demonstrativ meinen SPIEGEL und mein leeres Brillenetui auf dem Tablett liegen als Hinweis, dass nichts abgeräumt werde, weil ich gleich zurückkomme. Vergeblich. Als ich vom Klo komme, hat man alles gnadenlos abgeräumt.
Ich spreche den nordafrikanischen Kellner auf französisch an: Kann ich bitte meine Zeitschrift und das Brillenetui zurückhaben? Ich dachte, Sie würden das Zeichen verstehen . . .
Durch die Pendeltür zur Küche sehe ich, dass man beides nur beiseite gelegt – und noch nicht in den Müll geworfen hatte.
Um 10.00 Uhr schlendere ich zum Gate, wo gerade das Boarding begonnen hat.
Eine große Warntafel zeigt, dass die Fluggesellschaft jetzt wirklich Ernst macht mit den Restriktionen für das Handgepäck: Y-Passagiere strictly nur 1 Stück, Busis dürfen 2 Stücke mit an Bord nehmen. Na, da hab‘ ich ja Glück gehabt, weil ich diesmal außer meinem Tagesrucksack auch die Kameratasche mit Teilen meiner Leica dabei habe.
Wider Erwarten ist die C-Class in dem A330 sehr geräumig. Eine First gibt es eh nicht.
In normaler Sitzposition bleiben bei waagerecht ausgestreckten Beinen noch 40 cm bis zur Rückenlehne des Vordersitzes. Neigungswinkel ca. 170°. Das lässt auf eine geruhsame Nacht hoffen, an deren Ende ich voll fit in Nairobi zwischenlande.
Leider dürfen wir diesmal die Maschine nicht verlassen. Der Flughafen selbst ist zwar nicht sehenswert, ziemlich rümpelig, kein Flair, uninteressante Läden und überall auf dem Fußboden schlafende Passagiere, meist Schwarze, die zu nächtlicher Stunde auf ihren Abflug warten.
Selten aber habe ich auf einem Flughafen – noch dazu in der sog. Dritten Welt – derartig luxuriöse Toiletten gesehen. Schade. Ich hatte mich gefreut, mir wieder den Po von unten mit warmem Wasser putzen zu lassen. Wie schon beim letzten Flug 2004 überrascht die SN Brussels auch diesmal wieder durch eine superpünktliche Landung und sofortige Herausgabe meines Koffers, was bei anderen Airlines durchaus nicht mehr selbstverständlich ist.
Dann aber stehe ich mit meinem beladenen Gepäcktrolley erstmal dumm herum, denn von einer Person mit Colibri-Schild, die mich am Flughafen abholen soll, ist zunächst keine Spur. Schon muss ich die ersten Angebote der Taxifahrer dankend ablehnen. Einen frage ich, ob er vielleicht jemanden von der Agentur Churchill kennt. Er schüttelt den Kopf. Ich genieße weiter die warme Abendluft vor dem Flughafengebäude, und nach 20 Minuten, als ich die herumstehenden Leute frage, ob hier jemand von Churchill sei, werde ich tatsächlich angesprochen: Sind Sie Frau Hoffmann?
So lerne ich Lamech kennen, meinen zukünftigen Reiseleiter, und gleich auch unseren Fahrer Brighton. Sie seien zwar schon seit 2 Stunden am Flughafen, hätten sich aber in der Ankunftszeit des Fliegers geirrt. – Macht ja nix.
Beide begleiten mich zu meinem 1. Quartier, dem Boma Guest House, ca. 20 Min. von Flughafen entfernt, ein sympatisch einfaches Haus mit überaus freundlicher Begrüßung.
Das Zimmer ist riesig, hat sogar eine kleine Terrasse. Über meinen Koffer stolpern muss ich hier wahrlich nicht, kann mich ausbreiten, meine Plünnen sortieren, für die morgige lange Fahrt neu packen und mich nach 1 Stunde endlich mit einer Zigarette auf die Terrasse zurückziehen, wo die Fledermäuse im Lichtkegel der Außenbeleuchtung hin und herhuschen.
Ja, jetzt bin ich in Afrika angekommen.
27. 5. 06 Sam
6.30 Uhr aufstehen.
Gefühlte Temperatur ca. 20°C.
Frühstück open air mit Cornflakes, Obst und gebratenem Ei. Der hiesige Kaffee ist vermutlich von der Sorte robusta; man muss sehr robust sein, um ihn zu vertragen.
Ein Urlauber aus Schottland schaut mir beim Essen zu und berichtet, er habe zu Hause einen marmoset monkey, der wie ein Kind der Familie sei und alles fresse, was sie auch essen. Armer Affe, denke ich, und kann mir die Bemerkung nicht verkneifen, dass ich solche Tiere lieber in freier Natur sähe.
Um 8.30 Uhr begrüßt mich eine Dame von der Churchill Agentur und überreicht mir ein Täschchen aus Baumrinde mit Info-Material, sagt, sie würde sich unterwegs immer wieder mal telefonisch erkundigen, wie es so läuft.
Lamech gibt mir leihweise 3 Bücher über Raubvögel, Schmetterlinge und Säugetiere Ostafrikas, in die ich bei Bedarf reinschauen kann. – Sehr praktisch. Dann fahren wir los.
Die Strecke kenne ich ja schon. In Kampala lasse ich mich an einem Hotel absetzen, wo ich 300 $ Reiseschecks eintausche. Der Wechselkurs ist noch immer derselbe wie vor 2 Jahren:
1 $ TC 1.660,- USh.
1 $ bar 1.850,- „
1 € bar 2.000,- „
Gegen 14.00 Uhr sind wir in Fort Portal, wo wir damals auf dem Weg zu den Murchinson Falls auch Halt gemacht haben. Das vegetarische Curry (4.000 USh.) im Rwenzori Travellers Inn ist extrem lecker.
Brighton fährt inzwischen zur Tankstelle, um einen neuen Schlauch in den etwas luftarmen Hinterreifen einzuziehen. Und ich gehe wieder zu dem Restaurant mit Terrasse, wo ich meine Zigaretten–Marke “ SM “ (immer noch 2.000 USh.) finde . . .wobei diese Abkürzung nichts über sexuellen Präferenzen aussagt, sondern einfach sweet menthol bedeutet.
Auch die Fahrrad-Taxis mit gepolstertem Gepäckträger gibt es noch. Kurzstrecke kostet 300 USh., ab 1km 500 USh.
Im Transport von Lasten und Passagieren – gern auch beidem – sind die Ugander für meinen Geschmack etwas tollkühn. Auf einem Moped zähle ich den Fahrer, ein Kleinkind, eine Frau und dahinter noch eine zusammengerollte Matratze.
In Berlin wäre das ein Fall für die Verkehrspolizei.
Bis zur Ndali Lodge am Lake Nyinambuga ist es dann über eine schreckliche Holperpiste nur noch eine halbe Stunde. Eigentlich sind es zwei Seen, die ein Vulkanausbruch mit einer schmalen Landbrücke versehen hat. Brighton zeigt schon von weitem auf ein Haus am Kraterrand. Das sind ja buchstäblich herrliche Aussichten, denke ich.
Zur Begrüßung gibt’s erstmal Saft aus Passionsfrüchten und ein unförmliches, dafür umso freundlicheres welcome. Von den nur 8 Bungalows bekomme ich die Nr. 3 – ein riesiger Raum mit zwei Himmelbetten samt Moskitonetzen (… wie für eine Prinzessin, murmle ich), einem sog. Herrendiener aus Holz, auf dem man sehr praktisch den nassen Regen-Poncho trocknen kann, ein tolles Bad mit holzverkleideter Wanne, ebensolchem Waschbecken, wo man ausnahmsweise mal genug Platz für den Kosmetik-Krimskrams hat, einer extra Dusche, Ethno-Motiven an den Fensterrahmen und einem Krokodil aus Holz auf dem Spülkasten. Später werde ich feststellen, dass man dran ziehen muss, um die Spülung zu betätigen.
Kleine Holztiere auch an der Badezimmertür. Ein Stab, durch die Tierbeine hindurchgeschoben, ergibt das „Schloss“.
Schlüssel für den Bungalow gibt es nicht. Die Tür wird einfach mit einem Riegel versperrt.
Abschließen unnötig. Sehr sympathisch! Sofort fällt mir die Marenco Lodge in CR, wo ich auch alles offen herumliegen lassen konnte ohne Angst vor Langfingern. Was für ein Gefühl von ungewohnter Freiheit!
Statt Elektrizität gibt es Kerzen und Petroleumlampen. Das wird ja immer besser!
Ich bin begeistert, aber mit dem Staunen noch längst nicht am Ende.
Der Garten vor meiner Terrasse ist voller Vögel. Hornvögel, Webervögel, Sonnenvögel, deren Gefieder gold-gelb-grün-lila schimmert, je nach dem wie das Licht gerade gebrochen wird. Eidechsen in türkis-petrolblau-beige. Welche Farbenpracht!
Gegen 19.00 Uhr sitze ich gerade in der Badewanne, als das Zimmermädchen hereinkommt und fragt, welches der beiden Betten ich zu benutzen gedenke. Sie lässt das Moskitonetz herunter, zündet Kerzen und Lampen an und trollt sich wieder.
Auf dem Weg zum Speiseraum schnuffelt ein Hund an meinen Hosenbeinen. Wie gewohnt streiche ich über das Fell, bemerke einige Knubbel, die sich als vollgesogene Zecken herausstellen. Ich entferne sie vorsichtig und habe damit gleich einen dankbaren ständigen Begleiter. Später werden es 4 Hunde sein.
Multikulti beim Abendessen: 10 Gäste aus Indien, Ägypten, Schweden, Frankreich, USA ,
Australien und Großbritannien. Zufällig auch mal anwesend: Aubrey, der Inhaber der Lodge, Nachfahre eines mit 56 an einer Säuferleber verstorbenen Kolonialherren, der 1993 enteignet wurde, seine Ländereien 1998 aber von der ugandischen Regierung zurückbekam.
Aubrey ahnte, dass sich die Nähe des Grundbesitzes zum Nationalpark mit den Schimpansen touristisch mal als nützlich erweisen könnte, und erweiterte die Lodge auf die heutige Größe. Den Gedanken, vielleicht noch zwei Bungalows mehr zu bauen, verwarf er aber sehr schnell. Zu viele Gäste könnten die selected intimicy der Lodge beeinträchtigen.
Sehr weise!
Sein Personal, erzählt er, wisse das auch zu schätzen. Die sonst übliche Fluktuation unter den Mitarbeitern gebe es hier nicht. Selbst die meist weiblichen Angestellten, die halt immer wieder mal schwanger werden, bringen nur schnell ihre Kinder zur Welt und kommen nach kurzer Zeit zurück zur Arbeit – nicht weil sie keine bessere finden, sondern weil sie gar keine andere Arbeitsstelle suchen. Genau das merkt man dem Personal auch an. Sie sind nicht freundlich, weil sie betuchte Gäste bewirten, sondern weil sie Spaß an ihrer Arbeit haben.
Mit der Hälfte der Leute an dem langen Tisch gibt es eine muntere Unterhaltung, während ich meinen tilapia in Kokosmilch (vom Lake Albert) verspeise. Beim Nachtisch muss ich abwinken. Ich bin genauso voll wie die Zecken und falle um 22.00 Uhr nicht ab, aber in mein Himmelbett.
28. 5. 06 Son
Heute beginnt das Frühaufsteher-Programm.
5.30 Uhr klingt schrecklich, ist es auch, muss aber sein wegen der Chimps.
Das Frühstück um 6.15 Uhr fällt etwas mager aus. Mehr als 2 gebratene Eier auf Toast, Ananas und Melone bekomme ich um diese Uhrzeit noch nicht runter.
Um 7.00 Uhr Abfahrt zum 1. Schimpansen-Trekking im Kibale Nationalpark.
45 Minuten Buckelpiste und NP-Büro nochmals 15 Min. Fahrt mit dem Ranger Gerald zum Beginn der Wanderung.
Die erste Anlaufstelle ist ein alter Feigenbaum, bei dem die Chimps vermutet werden.
Rechts und links lichter Wald. Der Weg ist schmal und trocken, mitten drauf eine seltsame Insel mit Baumschößlingen – Scheiße der überaus scheuen Waldelefanten. Die Samen ihrer verdauten Nahrung kommen gleich mit einer guten Portion Dünger auf die Welt.
Im Feigenbaum und in dessen Umgebung keine Spur von Affen. Über Walki-Talki holt sich Gerald Infos von seinen Kollegen und schlägt mit uns eine neue Richtung ein. Bald hören wir das Geschrei schon von weitem. Ganz anders als Gorillas machen Schimpansen kein Geheimnis aus ihrer lautstarken Kommunikation untereinander. So lernen wir die
Mobuto-Familie kennen, deren männliches Leittier ein machohafter, teilweise recht brutaler Rüpel sein soll. Daher wohl der Name.
Die Gruppe hat gerade einen kleineren schwarz-weißen Colobus-Affen erlegt, dessen Kadaver über unseren Köpfen im Geäst hängt und verspeist wird. Einige Chimps laufen auch auf dem Waldboden herum und warten darauf, dass von oben einige Brösel der Mahlzeit herunterfallen, denn Beute teilen mag Mobuto nicht.
Fotos zu machen ist fast unmöglich. Zu wenig Licht. Also lieber durchs Fernglas beobachten.
Auch das etwas schwierig und mit Genickstarre verbunden, weil Blick nach weit oben ins Gegenlicht.
Als wir gegen 12.00 Uhr zum Parkeingang zurücklaufen (45 Min.), knurrt und schlurft mein Magen schon hinterher. Unterwegs tappt Gerald in die Botanik, schneidet etwas Rinde und eine Frucht ab. Beides schmeckt bitter bis scharf, soll aber gut sein gegen Husten, „flu“
(Grippe) und worms. Nur gegen beißenden Hunger helfen die Futzelchen leider nicht.
Zum Glück reichen mir meine Begleiter am Jeep gleich das Luchpaket: Thunfisch in Pfannkuchen eingerollt, 1 Scheibe Ananas, Kekse, 1 Ecke Käse.
Ich lunche auf dem Rasen vor dem NP-Büro in der Sonne. Lamech und Brighton können sich mit einem derart rustikalen Essplatz nicht anfreunden; sie ziehen ordentliche Stühle und einen Tisch im Restaurant vor. Dort mampft auch eine Colibri-Gruppe mit Reiseleiter Ivan, den ich sofort wieder erkenne. Sie sind auf dem Weg in die Mweya Lodge, wo ich im Februar 2004 war.
Ach, war das nicht die Lodge, wo man beim Verlassen der Zimmer immer über diese netten Warzenschweine stolpert, die sich von Touristen so genüsslich kraulen lassen? frage ich.
Die Colibris gucken etwas skeptisch.
Ivan erinnert daran, dass diese Tiere zum Fressen die Vorderbeine einknicken und praktisch auf Knien grasen. Ein Gast habe deshalb mal gemeint, die Schweine seien bestimmt katholisch . . .
Unten am Parkplatz halte ich vergeblich Ausschau nach diesem seltenen Großen Blauen
Turaco, aber ein Mann dort sagt mir, die Vögel seien jetzt in den swamps (Sümpfen).
Ich ziehe weiter auf der Suche nach einem ungestörten Plätzchen, wo ich rauchen kann.
Ideal, wie für meinen Zweck gebaut, ein Gemäuer ohne Dach, hinter das ich mich verkriechen kann, bevor ich zum Jeep zurücklaufe.
In der Lodge steige ich erst mal in die Badewanne, die am Fenster einen Premium-Blick auf die schöne Hügellandschaft der Region bietet. Solch einen Luxus hätte ich zu Hause auch gern. Nachmittags gegen 15.00 Uhr regnet es ½ Stunde. Während ich auf der Terrasse meine Eindrücke des Tages zu Papier bringe, scharen sich mittlerweile 3 der vier Haushunde um mich und dösen.
Wegen der erneuten Husche fällt der mit Lamech verabredete Spaziergang durchs Dorf zunächst aus. Aber um 16.00 Uhr treibt mich die Neugier doch wieder in meine Wanderschuhe. Am Privathaus von Aubrey entlang scheint ein Trampelpfad zu führen.
Vorsichtshalber frage ich vorn die Damen, ob es o.k. ist, wenn ich da so einfach langspaziere.
Er und seine Freundin möchten vielleicht eine Ecke bewahren, wo sie mal keinen Touris begegnen. – Die Damen nicken.
Der Weg durch die dichte Vegetation oberhalb des Sees ist schmal und bietet traumhafte Ausblicke. Inzwischen scheint auch die Sonne wieder. Irgendwann geht es steil bergab, und ich lande wirklich am See-Ufer. Ich allein in der Botanik. So ist’s recht. Normalerweise würde ich mich jetzt meiner Klamotten entledigen und ein Bad nehmen . . . wenn Aubrey gestern Abend nicht erzählt hätte, dass im Wasser die Bilharziose grassiere. So ein Pech aber auch!
Nach einer Denk- und Genusspause mache ich mich auf den Heimweg, schlage vor der Lodge die andere Richtung ein und treffe auf Lamech und Brighton, die gerade mit ihren Vogelbüchern und Ferngläsern unterwegs sind. Der große schwarze Vogel mit dem knallroten Schnabel sei ein crowned hornbill, verkündet Brighton. Den hatte ich durch mein kleines unscheinbares Leitz auch schon entdeckt. Mitleidig gibt mir Brighton sein großes Fernglas, nimmt solange meins. Ein schlechter Tausch. Sehr brilliant sind seine zwar schweren, aber dunklen Flaschenböden nicht gerade.
Ich erzähle ihm, dass Eisvögel zu meinen Lieblingsvögeln gehören, als sich just in diesem Moment ein prachtvolles türkis-graues Exemplar auf einem Pfosten niederlässt.
Stundenlang könnte ich hier einfach nur stehen und gucken. Da es noch mal ein bisschen zu schütten geruht, ziehe ich mich in die kleine Bibliothek des Hauses zurück und schmökere in einem Buch von David Attenborough.
Da heute die meisten Gäste abgereist – und 6 neue hinzugekommen sind, werden drei Einzeltische aufgestellt. Mich setzt man zu dem Ehepaar aus Lyon, das noch geblieben ist.
Gute Gelegenheit, mal wieder mein Französisch auszuprobieren, das durch die vielen Reisen nach Südamerika ziemlich versackt schien. Nicht so hier. Vielleicht lag es an meiner totalen Entspanntheit, dass ich nicht nach Vokabeln, dem richtigen Konjuntiv suchen musste.
Das Gespräch lief einfach.
Die beiden, auch schon etwas älter, waren offenbar weit gereist, erzählten stichpunktartig von Erlebnissen überall in der Welt. Über viele Orte konnte ich Eigenes beisteuern. Nur bei Polynesien und der Atacama-Wüste musste ich passen. Dafür waren die beiden noch nie auf Rodrigues.
29. 5. 06 Mon
5.30 Uhr.
So früh am Morgen kurz nach dem Aufwachen hält sich meine Begeisterung für ein
2. Chimps-Trekking noch in Grenzen.
Es ist in jedem Urlaub dasselbe. Ich weiß zwar genau, was ich (sehen) will. Aber wenn das dann mit der Mühe des Frühaufstehens verbunden ist, kommt schon mal der Gedanke:
Mein Gott, Evelyn – warum tust Du Dir das immer wieder an?!
Nach 3 Spiegeleiern, Obst und einem Stück Käse, weiß ich dann wieder warum. Diesmal wird sich das Frühstück auch etwas nachhaltiger erweisen.
Das 180er Tele lasse ich heute weg. Bei den Lichtverhältnissen im Wald hat es trotz des 800er Films eh keinen Sinn, obwohl es gut in der Hand liegt und ich sonst mit Belichtungszeiten bis zu ¼ Sec. nie Probleme hatte – bei Motiven, die sich nicht bewegen . . .
Wir haben einen neuen Guide, dessen Englisch ich nur schwer verstehe.
Alpha-Männchen Mobuto sei nicht der Anführer einer „Gruppe“, sondern einer „community“, verstehe ich, die sich aus mehreren Gruppen zusammensetzt.
Als wir nach 45 Min. die Chimps erreichen, beschaffen sie gerade wieder mit lauten Gebrüll Protein fürs Frühstück. Und wieder soll ein Colobus dran glauben. Jetzt erkennt man gut ihre Jagdstrategie: Ein Teil der Gruppe hetzt das Opfer durch die Baumkronen, hoffend, dass es irgendwann ermüdet und beim Fluchtsprung den nächsten Ast verfehlt, zu Boden stürzt.
Dort wartet, mitwandernd, der Rest der Gruppe, um den Rest zu erledigen.
Der Colobus entkommt aber.
Ein Männchen ist schon sichtbar müde, zeigt beim Gähnen seine beängstigend langen, spitzen Zähne. Mir fällt ein, dass ich zum Glück gegen Tollwut geimpft bin.
Ein anderer, nur die verlangten 8 m von uns entfernt, reißt gelangweilt ein Blatt neben seinem Lagerplatz ab und kaut lustlos. Man sieht, dass ihm ein Stück Fleisch lieber gewesen wäre. Ein drittes Tier findet unsere Nähe nur lästig und verzieht sich.
Ich beschränke mich derweil auf mein Fernglas, was ergiebiger ist als Fotos, die ich zu Hause in meinen Bildbänden in besserer Qualität habe.
Nach 90 Min. ist die Beobachtungszeit zu Ende.
Der Guide erklärt kurz (und mir unverständlich) etwas über einen Baum, dessen Blätter die Affen wohl fressen, wenn sie Husten haben. Oder war es doch der gleiche Baum wie gestern, der Menschenmedizin liefert?
Beim Ruf eines Vogels höre ich den Guide etwas über HANIBI sagen und verstehe honey-bee.
Was hat eine Vogelstimme mit Honigbienen zu tun? frage ich ungläubig. Nach mehrmaliger Wiederholung übersetzt eine britische Touristin: er meint, das sei ein hornbill (Nashornvogel).
Ich geb’s auf und mache bei den nachfolgenden Erläuterungen des Guide meine müden Ohren zu. Zurück am Jeep, bin ich noch nicht einmal hungrig. Wir nehmen die Lunch-Box wieder mit. In der Lodge bestelle ich mir eine Kanne african tea (gekochte Milch mit Teeblättern und Ingwer) und speise – mittlerweile von vier Hunden begleitet – auf meiner Terrasse.
Um 15.30 Uhr stehe ich wieder in den Startlöchern, sprich Wanderschuhen, um mit Lamech einen Spaziergang durchs Dorf und über die Landstraße zu machen. Den vorgeschlagenen Besuch bei einer Familie lehne ich dankend ab. Lamech versichert mir zwar, die Leute seien das gewöhnt und freuten sich über das Interesse der Touris.
Wenn ich diese Leute beim Gang durchs Dorf zufällig kennen gelernt, mich mit ihnen unterhalten – und dann eine Einladung bekommen hätte, wäre das kein Problem für mich.
Aber bei solchen Menschen-Zoos habe ich immer Bedenken.
Das alles erkläre ich Lamech auf Deutsch. Wir hatten schon am 1. Tag beschlossen, alle drei miteinander Englisch zu sprechen, wenn unser Fahrer Brighton dabei ist, damit jeder alles versteht.
Wenn ich aber mit Lamech allein unterwegs bin, gebe ich ihm gern Gelegenheit, sein wirklich tadelloses Deutsch anzubringen. Auch sein Churchill-Kollege Ivan hatte damit schon geglänzt. Ohne Schmeichelei erzähle ich Lameck, dass sein Deutsch tausendmal besser ist als das vieler Ausländer bei uns in Berlin, die schon 20 Jahre in Deutschland leben.
Das kann er überhaupt nicht verstehen. – Ich auch nicht.
Auf meine Frage, ob sich die Lehmhütten auf Bambusstangen bei heftigem Regen nicht auflösen, beruhigt er mich. Nein. Außerdem werden sie meist noch mit einer Mischung aus Sand und Kuhscheiße verputzt. Da ich gemerkt habe, wie viel Wert Lamech auf gepflegte Umgangsformen legt, erwähne ich beiläufig, dass ich manchmal ganz undamenhaft auch das Wort Scheiße benutze, was aber eher Vulgärsprache ist. Zu der hier üblichen Verputzmethode könne man auch etwas vornehmer Kuhfladen sagen.
Lamech stutzt: Und was ist dann Fladenbrot???
Wir müssen beide lachen – jedenfalls kein Brot aus Kuhscheiße.
Die „Zementmischung“ wird übrigens mit frischer Kuhsch… angerührt, und diese Arbeit wird – wie könnte es anders sein – den Frauen überlassen.
Für viele schwere Arbeiten scheinen hier die Frauen zuständig zu sein, besonders für alles, was mit Nahrungsbeschaffung zu tun hat. Kaum ein Stück Land bleibt ungenutzt, überall ordentlich bestellte Felder – und mitten drin: Frauen mit gebeugtem Rücken (an dem meist noch ein Baby klebt). Auf den bunten Märkten hinter sauber aufgetürmten Waren: Frauen.
Und wer hat all diese Lebensmittel zum Markt geschleppt. Sicherlich nicht die Männer.
Die sieht man nur häufig bei der Bewachung des Viehs und – so sie privilegierte Besitzer eines Fahrrades sind – beim Transport von schweren Kanistern mit Trinkwasser, das oft von weit her herangeholt werden muss. Wo kein Fahrrad zur Hand ist, schleppen die Frauen diese Kanister: ein 20-Liter-Teil auf dem Kopf und noch mindestens zwei kleinere in beiden Händen. Kindern, die schon laufen können, müssen mit Mini-Kanistern helfen, Wasser zu tragen.
Auf der Landstraße gibt es rechts und links eine Menge zu erklären: div. Pflanzen gegen Malaria, Bauch- und Kopfschmerzen, Kaffee (den selbst ich inzwischen sofort identifizieren kann) . . .
Apropos Kopfschmerzen. Ich frage Lamech: Warum haben Sie dann gestern eine Tablette gegen Ihre Kopfschmerzen genommen, wenn die natürlichen Mittel hier kostenlos herumstehen?
Lamech lacht verschämt, stottert. Ich verstehe. Tabs aus der farmacy sind halt chic und beweisen, dass man nicht zu den armen Leuten gehört.
Am Wegrand springen mir kleine gelbe Früchte ins Auge. Das sind doch nicht etwa . . .
Guaven !!! Meine Lieblingsfrüchte!
Als wir endlich einen Baum finden, warnt mich Lamech vor den am Boden liegenden Früchten; die seien schlecht. Quatsch, sag‘ ich, ich habe während meiner 6 Monate auf der Osterinsel Tonnen dieser Guaven gegessen und keine Bauschschmerzen bekommen.
Er glaubt mir nicht, will die ihm anvertraute Touristin vor Unheil bewahren und steigt selbst in den Baum, pflückt mir eine Hand vol angeblich guter Guaven.
Ich erzähle Lamech, dass ich damals auch in die Bäume gestiegen bin, für mich und die Pferde – die genauso gierig nach Guaven waren wie ich – die Äste leergeschüttelt habe und dabei sogar einmal runtergefallen bin. Die Folge war dann leider ein verstauchter Fußknöchel, den ich aber wunderbar mit Rizinus heilen konnte.
Da fällt mir ein, dass diese Pflanze hier doch auch überall wächst. Lamech kennt sie nicht, sagt, das sei nur Unkraut. – Von wegen! Ich erzähle ihm, dass man all die Mobilat- und anderen Salben gegen Sportverletzungen getrost wegschmeißen kann, wenn Rizinus zur Hand ist. Innerhalb nur eines Tages war die Schwellung am Fuß weg, und ich konnte wieder schmerzfrei auftreten.
Auch die halluzinatorische Wirkung der Engelstrompete, an der wir gerade vorbei laufen, kennt Lamech nicht, staunt, dass bei uns Leute sich damit bekiffen.
Dafür erhalte ich einige Hinweise über lokale Tischsitten:
Die Teller müssen brechend voll sein. Genussvolles langsames Speisen, unterbrochen von ein wenig Geplauder, kennt man hier allerdings nicht.
Binnen 10 Minuten alles in sich reinzuschaufeln, gilt als normal. Deswegen wird beim Essen auch nicht gesprochen.
Etwas bereits Bestelltes muss man wenigstens anknabbern; es mangels Hunger unberührt zurückgehen lassen, wäre unhöflich.
Und endlich erklärt mir auch mal jemand, warum einem in tropischen Ländern die Kellner so gern die halbvollen Teller unter der Nase wegziehen wollen. Oder man steht vom Tisch auf, um von Buffet noch etwas zu holen, und bei der Rückkehr ist das Gedeck verschwunden. Ich habe mich oft genug darüber geärgert, empfand es als Aufforderung zur Eile, so als wollten die Kellner mich schnell loswerden. Immer wieder habe ich gefragt, warum sie das machen, und erklärt, wie ich dieses Abräumen empfinde. Die Antwort der Kellner war stets die gleiche: Das haben in den Schulungskursen so gelernt.
Jetzt liefert mir Lamech die einleuchtende Erklärung: Kein falsches, auf Hektik bedachtes Training ist Schuld an dieser Praktik, sondern die Fliegen, die in solchen Ländern halt schnell kommen, wenn man Essen offen vor sich auf dem Tisch stehen hat.
So einfach ist das. Nie wieder werde ich mich über diese für mich bis dahin nervige Gepflogenheit beschweren. Einfach finde ich allerdings auch das Zeichen mit dem gekreuzten bzw. parallel gelegten Besteck, das ich Lamech zeige. Es in den örtlichen Kellner-Seminaren mal zu erwähnen, wäre einen Gedanken wert.
Es ist inzwischen 17.00 Uhr. Schulschluss.
Die Kinder in ihren farbenfrohen Schul-Uniformen sehen aus wie hübsche Blüten am Straßenrand. Fast jedes Dorf hat zumindest eine eigene Grundschule und jede Schule ihre eigene Uniform – wie der schottische Adel seine tartans.
Die nursery school (hier auch Kindergarten genannt) und primary school sind zwar noch kostenlos, doch wer sich die Uniform und das Schulmaterial nicht leisten kann, hat eben Pech gehabt und bleibt Analphabet. Bei diesem Gedanken kommt mir – nicht nur in
Uganda – immer wieder die Galle hoch. Diese Verdammung zur Chancenlosigkeit, die Verschwendung geistigen Potenzials ist so unfair!
Während wir darüber noch lamentieren, kehren wir zurück zur Lodge.
Ich stehe um 18.35 Uhr gerade im Zimmer, als plötzlich für eine Milli-Sekunde der Boden wackelt. – Nein, ich habe mich nicht getäuscht, denn das Himmelbett mit seinem Aufbau hat sich auch bewegt. Ein Erdbeben!
Aus Filmen im Fernsehen weiß ich, dass Tiere auf so etwas besonders sensibel reagieren.
Ich gehe raus auf die Terrasse, wo „meine“ 4 Hunde liegen. Sie schnarchen. Also bin ich auch nicht weiter beunruhigt. Später, als das Zimmermädchen mein Bett für die Nacht vorbereiten will, erzählt sie lachend: Ja, ja – das ist hier nichts Ungewöhnliches.
Na prima! Nun habe ich auch das mal erlebt.
Beim Abendessen sitze ich mit Bill und Penny aus Seattle an einem Tisch.
Penny, ganz Amerikanerin, stellt die üblichen Fragen: What’s your name?
Ein junger Mann aus der Runde drüben antwortet ungerührt: Ich sehe sie seit 11 Monaten jeden Tag. Ich mach meinen PhD über Schimpansen.
Alle müssen lachen, auch Penny: Oh sorry, then it was a pretty stupid question.
Es wird ein sehr nettes, interessantes Gespräch. Bill und Penny sind passionierte birder, waren zwar noch nicht im Manú N.P. (den ich ihnen wärmsten ans Herz lege), aber im Tambopata/Peru und kennen ihre berühmte Landsmännin Phoebe, von der uns unser Reiseleiter Tino im Manú berichtet hatte.
Die über 80Jährige soll um die 8.000 Vögel auf ihrer Liste gehabt haben, was weltweit als einmalig gilt. Nun erzählt Penny, dass Phoebe auf ganz
gruselige Weise ums Leben gekommen sei – sie wurde bei einem Busunfall beheaded.
30. 5. 06 Die
Da wir heute weiterfahren, darf ich bis 6.30 Uhr schlafen.
Obwohl es nun endlich zu den Gorillas geht, verlasse ich die Ndali Lodge höchst ungern.
Super schöne Lage, super gemütlich, super freundliches Personal, aufgeschlossene Gäste, gutes Essen. Zwar kein Einzelfall auf meinen Reisen, trotzdem würde ich gern noch länger bleiben.
Penny aber hat am Frühstückstisch heute viel zu meckern – so viel, dass sie mir unsympathisch wird. Der Service sei lasch, gestern Abend kein Feuerholz im Ofen für das warme Duschwasser, das Frühstück zu spät serviert, erst kein Obst, dann kein Toast, endlich ihr Kaffee, aber ohne Milch. Mag ja alles sein, aber lässt sie sich wirklich so leicht einen Urlaubstag versauen?
Wir fahren um 7.45 Uhr los zum Bwindi National Park, überqueren die große Brücke, die den Lake George und den Lake Edward teilt, halten im Rift Valley am Lake Rubirizi, dessen Wasser lt. Brighton 4 Mio. Jahre alt sein soll und sich nie mit dem von den Bergen nachfließenden Regenwasser vermischt.
Gleich gegenüber ein Tal mit einem bis auf einen sumpfigen Rest verschwundenen See.
Eine traditional healer war verärgert über einige Bewohner ihres direkt am See gelegenen Dorfes, wollte sie für ihre Respektlosigkeit bestrafen, warf ein Huhn in den See, und am nächsten Tag saßen die Fischer des Dorfes auf dem Trockenen.
Seither traue sich niemand mehr in die Mitte des verwunschenen Kraters.
Rings herum aber wird der Boden weiter bestellt. Durch das Fernglas sehe ich eine Frau, die dort gerade mit der Ernte beschäftigt ist.
Wir fahren weiter über Ishaka, wo Brighton tankt und erfährt, dass er eine geplante Abkürzung nicht nehmen kann, weil eine Brücke auf dem Weg defekt ist. Das wird uns
2 Stunden mehr Fahrzeit kosten, was bei dem „Straßen“-Zustand sehr anstrengend ist.
Wir pausieren öfter. Als ich schon fast die Nase voll habe von der Huppelei, steige ich aus und laufe ein Stück zu Fuß, während mir der Jeep langsam folgt.
Um 15.30 Uhr landen wir endlich im Lake Kitandara Tented Camp im Dorf Buhoma.
Auf den letzten Metern hatte es heftig zu regnen angefangen. Im Zelt ist alles feucht –
Die Bettwäsche, die Handtücher, bald auch meine Sachen. Was ich morgen auf dem Trekking anziehen will, nehme ich später mit ins Bett, um die Klamotten zu trocknen und warm zu halten.
Das Zelt aber ist riesig, hat neben dem Doppelbett ein kleines Standregal, sonst aber keine Aufhänge- und Ablagemöglichkeiten. Ich muss wieder improvisieren, funktioniere Zeltbänder und –ringe zu Kleiderhaken um. Zum Inventar gehören auch ein Paar Flip-Flops, damit man nicht allzu viel Dreck ins Zelt reinschleppt. Sehr nützlich, aber ich hab meine eigenen dabei.
Das Badezimmer ist sehenswert – open air, hinter dem Zelt nur über den Seitengang erreichbar, aber mit allem, was dazu gehört: Klo mit Wasserspülung, Mini-Waschbecken, Badewanne mit Luxus-Armatur. Aus dem Brausekopf kommt nur das „kalte“ Wasser.
Es gibt aber auch was für Warmduscher: Über der Wanne hängt an einer Stange ein Eimer, den man unten mit einem weiteren Duschkopf versehen hat. Auf Bestellung wird der Eimer mit warmem Wasser gefüllt. Ich weiß jetzt schon, dass mir das viel zu umständlich wird und werde in den folgenden Tagen die entsetzten Blicke meiner Churchill-Begleiter ernten, wenn sie hören, dass ich wieder kalt geduscht habe.
Das Zelt steht auf einer hölzernen Plattform am Hang und hat davor sogar eine kleine Terrasse mit einem Tisch und 2 Stühlen. Insgesamt also alles sehr gemütlich, besonders wenn ich vom Klo aus die Colibris beobachten kann.
Ich mache schnell eine Katzenwäsche in der Badewanne, ziehe mich um und gehe runter ins Dorf.
Der Eingang zum NP liegt nur ein paar hundert Meter vor der Haustür. Viele Souvenirgeschäfte zieren die Dorfstraße. Kaufen will ich heute noch nichts, bleibe aber auf einen Plausch im Laden von Tim(othy) hängen, der mir erst sein Leben erzählt und dann natürlich seine Waren anpreist. Das einzige, was in Frage kommt, ist eine Gorilla-Kollage aus jenem Rindenstoff, den ich schon von der letzten Ugandareise als Hippo-Motiv mitgebracht hatte. Die beiden Bilder würden perfekt zueinander passen.
Das Abendessen (fish and chips) ist keine haute cuisine, schmeckt aber sehr gut und ist vor allem viel zu viel. Die von Lamech erwähnten prall vollen Teller halt. Ich scheitere schon nach der Hälfte. Er und Brighton bitten um Erlaubnis, schon schlafen gehen zu dürfen – sie frieren entsetzlich; hier in den Bergen sei es immer so furchtbar kalt . . .
Als ich ihnen erzähle, dass wir im vergangenen Winter teilweise – 20°C hatten – nein, das möchten sie sich lieber nicht vorstellen, wie man das überleben kann.
Ich genehmige mir noch einen Kaffee und gehe dann auch in mein Zelt, wo es übrigens ebenso wie im „Badezimmer“ dank der Sonnenkollektoren elektrisches Licht aus einer Energiesparlampe (!!!) gibt. Die flauschige Zudecke falte ich auch lieber doppelt zusammen und ziehe Rolli und Leggings an. Das reicht dann aber auch bei den „arktischen“ Nacht-
Temperaturen“.
Um 21.00 Uhr, ich liege schon im Bett, bebt wieder die Erde für einen kurzen Augenblick.
31. 5. 06 Mi
6.30 Uhr aufstehen, 7.00 Uhr Frühstück.
Um 7.45 Uhr laufen wir rüber zum Eingang des NP. Der officer guckt auf mein permit, dann auf seine Liste und will meinen Pass sehen, den ich natürlich nicht mithabe.
Zum Glück kann ich ihm meine Pass-Nummer auswendig aufsagen. Das reicht ihm zur Identifikation.
Etwas begab vor dem information-office treffe ich auf weitere 9 Trekker, wundere mich, dass wir so wenige sind. Bei 3 Gorilla-Gruppen könnten 18 Leute mitkommen.
Wir bekommen Wanderstöcke (zugeschnittene Äste, die sich noch als sehr hilfreich erweisen werden), und das briefing von Ranger Joseph. Dann werde ich zusammen mit dem Schweizer Ehepaar Anton und Cecilia der H-Gruppe zugeteilt, weil unsere Gorilla-Familie Habinyanja heißt.
Nur 3 Leute fürs Trekking? Das ist ja traumhaft!
Die anderen Touris gehen zur Mubare- bzw. Rushegura-Familie.
9.00 Uhr Abmarsch
11.00 “ Gorillas
12.00 “ Rückmarsch
Gestern hatte ich gehört, dass die Leute zur Habinyanja-Gruppe 4 Stunden bei heftigstem Regen wandern mussten. Wir haben heute mehr Glück. Die Sonne scheint bei ca. 20°C, und wir brauchen „nur“ 2 Stunden, die es aber in sich haben.
Zunächst aber fahren Anton, Cecil und ich im Jeep von Brighton eine halbe Stunde über
Buckelpisten zum Einstieg der Wanderung. Zum Glück lasse ich mein Fleece-Shirt im Auto, denn es geht gleich steil berauf, und das fast eine Stunde lang. Mein T-Shirt reicht völlig. Mücken gibt es zwar, doch aus mir unerfindlichen Gründen stechen sie mich nicht.
Den Aufstieg kann man getrost als mörderisch bezeichnen – jedenfalls bei meiner Kondition.
Auf dem 1. Hügel angekommen, zeigt uns Joseph vis-à-vis vom Tal ein Waldgebiet in Form eines Knochens, wo sich die Gorillas aufhalten sollen. Zwei jämmerlich klein wirkende Waldinseln, die durch einen Waldkorridor verbunden sind. Dorthin müssen wir absteigen, was auf dem steilen, schmalen, rutschigen, manchmal gar nicht vorhandenen Pfad ein harter Job ist.
Obwohl ich ausreichend gefrühstückt und unterwegs genug getrunken habe, scheint mein Gleichgewichtssinn gestört. Ich stolpere häufig und lande schließlich mit einem Fuß komplett im Modder. Der andere Fuß gleich hinterher. Egal, es muss weiter gehen.
Meine petrolblaue Wanderhose nimmt Lehmfarbe an.
Joseph hält mit Pfeifen ständig Kontakt zu den Trackern, die schon seit dem sehr frühen Morgen im Gelände sind und die Schlafnester der Gorillas aufgespürt haben.
Gegen 11.00 Uhr treffen wir auf die Tracker – einer davon Amos – und halten an.
Worüber sie sprechen, verstehen wir nicht, doch aus ihren Geisichtern, Stimmen, ihrer Körperhaltung glauben wir zu entnehmen, dass die Gorillas gar nicht vor Ort sind.
Folglich entgleisen für 1 Sec. auch unsere Gesichter. Oh nein! Der ganze Weg, alle Qualen vergeblich?
Dann aber bringt Joseph die gute Nachricht, dass wir in unmittelbarer Nähe der Gorillas sind, jetzt unsere Rucksäcke ablegen – nur die Fotosachen mitnehmen und die letzten Meter
hinter ihm hermarschieren sollen.
Der 1. Blickkontakt ist recht unspektakulär: Ein Gorilla sitzt im dunklen Wald, guckt gelangweilt umher und kratzt sich.
Foto zwecklos. Meine Leica mit dem 2,8/60 signalisiert trotz 400er Film Verschlusszeit im Stativbereich. Ich hätte sie zu Hause lassen können.
Bei der kleinen AF ist nach wenigen Bildern gerade der 800er Film zu Ende.
Nach dem Filmwechsel vergesse ich in der Aufregung, den Blitz abzuschalten.
Oh sorry! Das ist mir aber peinlich! Ich bin ehrlich beschämt und entschuldige mich bei Joseph. Macht nichts, sagt er, ist schon o.k. Schau, es hat ihn nicht irritiert; er sieht immer noch sehr relaxed aus.
Bevor dann die Action losgeht, muss hier noch die Alterseinteilung erwähnt werden:
0 – 3 ½ Jahre infant (Kind, Rotznase)
4 – 7 “ juvenile (Jugendlicher, Flegel)
7 – 9 “ subadult (junger Erwachsener, Teene)
9 und mehr adult (erwachsenes Tier)
Ein rundköpfiger Rotzlümmel klettert einen Baum hoch, auf dem schon ein weiterer sitzt und im Laub raschelt – wahrscheinlich, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Am Boden taucht ein 2. Halbwüchsiger neben dem Gelangweilten auf. Beide ziehen gemeinsam weiter zu einem Platz, wo etwas mehr Sonnenlicht einfällt. Sehr günstig für uns Touris. Vielen Dank!
Joseph räuspert sich (Beschwichtigungslaut, alles o.k.), während er vorsichtig ein paar Äste zur Seite biegt. Ich stelle/hocke mich drauf, damit sie nicht zurückklappen.
Weiteres Grünzeug wird abgeschnitten, um uns eine bessere Sicht zu verschaffen.
Die Tiere bleiben völlig gelassen, reißen ihrerseits Stängel ab, kauen, schauen uns an, denken wohl: Ach, kommt Ihr wieder wegen der peep-show?
Im Hintergrund raschelt es. Von Büschen etwas verdeckt er scheint der Silberrücken (SR).
Leider können wir nur sein Gesicht sehen, aber das ist schon imposant genug. Auch er frisst, behält aber immer seine 3 youngsters im Auge, die am Boden wie Kobolde herumtollen, sich gegenseitig necken, Purzelbäume schlagen, „kichernd“ ihre Zähnchen zeigen.
Einer, vermutlich der 3Jährige Kavujo, richtet sich plötzlich auf und trommelt gegen seine Brust.
Wir alle, auch Ranger und Tracker, müssen lachen. Bei den Juvenilen ist das aber noch kein Imponiergehabe, sondern nur eine Aufforderung zum Spiel.
Als es wieder im Gebüsch raschelt, erscheint die 20Jährige Gorilla-Dame Rukundu, lässt sich keine 5 m von mir entfernt in der Sonne nieder.
Wie war das mit den 7 m Mindestabstand? – Joseph sagt nichts. Im Gegenteil, auch die Tracker ermuntern uns zum Fotografieren. Und dann sehen wir, dass Rukundu diejenige ist, von der uns erzählt wurde, sie habe ein 2 Wochen altes Baby.
Der Winzling klebt an ihrer Brust, anfangs noch verdeckt durch Mutterns Arm, den sie beim Abreißen von wildem Sellerie immer wieder zur Seite nimmt. Sie langt gerade nach einem neuen Zweig, und zwar just nach einem der Äste, auf denen ich hocke. Sie zieht so kräftig dran, dass Joseph mich stützt, damit ich nicht hinten überfalle. Rukundu beißt ein 30 cm langes Stück ab, beginnt es zu schälen und bröselt den Abfall ihrem Baby auf den Kopf.
Vegetarisches Mützchen. Das Baby nuckelt ungerührt weiter. Das runzlige Gesicht, die winzigen weißen Händchen – ich höre auf zu fotografieren, muss erst mal zugucken.
Hatte ich nicht mal gelesen, dass Tiermütter ihre Neugeborenen immer argwöhnisch vor fremden Blicken verstecken?
Mein Gott, muss dieses Tier ein Vertrauen zu den Rangern haben, dass es sogar zu uns kommt und uns ihren Sprössling präsentiert! Oder sie will ihn einfach stolz herzeigen:
Seht mal! Das ist mein Jüngster!
Die etwas älteren Geschwister toben derweil an Rukundus Seite herum, amüsieren sich wie Bolle. Erst nach geraumer Zeit verzieht sie sich wieder mit dem Baby, und sofort kommt eine andere Gorilla-Dame, setzt sich genau auf Rukundus Platz, schaut uns an. Wir haben den Eindruck, die Tiere agieren wie Models auf dem catwalk, präsentieren sich uns als wüssten sie, wie scharf wir auf Fotos sind.
Joseph bricht einen Zweig ab, reicht ihn der neuen Dame rüber. Sie nimmt ihn auch und beginnt ihr Gemüse zu schälen. Ist das nicht verbotene Gorillafütterung?
Vielleicht will er auch nur beweisen, dass ihm die Tiere buchstäblich aus der Hand fressen.
Kurz bevor die Stunde rum ist, erhebt sich der SR, zeigt uns im Umdrehen sein mächtiges Hinterteil und verschwindet im Busch. Er wusste wohl, die peep-show ist jetzt zu Ende.
Etwa 200 m rückwärts lassen wir uns – überwältigt von den Eindrücken – zum Picknick nieder. Nach meinem allerersten Gorilla-Trekking im Mgahinga NP dachte, eine Steigerung sei nicht möglich. Ich hatte mich geirrt. Was ich da eben beobachten durfte, war jenseits all meiner Erwartung und eine wunderschöne Entschädigung für die Mühen des Wegs.
Aber nun steht uns der Rückmarsch bevor, und der ist nicht weniger qualvoll – so steil, dass uns alle 50 m die Puste ausgeht.
Anton sagt, er sei froh, dass ich mich traue, meine mickrige Kondition zuzugeben. So muss er sich nicht schämen, dass seine noch schlechter ist. Unsere Begleiter dagegen zeigen keine Spur von Atemlosigkeit. Sie gehen diese Strecke 4 x pro Woche.
Endlich auf dem Hügel angekommen, machen wir nochmals Rast. Dann geht es zum Glück nur noch bergab Richtung Jeep. Kinder haben dort ein paar krakelige Zeichnungen ausgebreitet. Anton sucht sich für 500 USh. (25 Cents) eine aus, was ich sehr nett finde.
Eigentlich ist das „Kunstwerk“ reif für den Papierkorb. Doch die Kinder lernen, dass sich einerseits die Mühe lohnt, sie andererseits aber von den blöden Touris nichts ohne Gegen-
Leistung geschenkt bekommen.
Die M- und die R-Gruppe sind mit ihren Trekkings längst fertig, als wir zum information-
office zurückkommen. Wir erhalten noch unsere Urkunden samt einem mehrseitigen Fragebogen, der einem Studienprojekt dienen soll. Ich habe jetzt keine Lust ihn auszufüllen, werde ihn mitnehmen und morgen abgeben. Ich kaufe nur noch drei (qualitativ sehr schlechte) Fotoserien der 3 Gorilla-Gruppen und trolle mich unter die Dusche.
Ganz sparsame Umweltschützerin, wasche ich anschließend im Duschwasser meine total verdreckte Hose und die nicht weniger dreckigen Socken. Am schlimmsten sehen die Wanderschuhe aus. Die nehme ich lieber mit runter zu dem Wasserhahn am Müllplatz und befreie sie dort von den Schlammkrusten.
Mein anschließender Spaziergang durchs Dorf verführt mich nicht zu Käufen, nur hässliche Gorilla-Schnitzereien, böse dreinblickende Masai-Masken, die mir eher Angst machen, geflochtene Körbe. Staubfänger halt. Nur ein Täschchen aus Baumrindenstoff bei der fröhlichen Susanne behalte ich im Auge. Auch sie erzählt mir, dass sie nach wenigen Jahren die Schule wegen Geldmangel abbrechen musste und jetzt traurig ist. Ich verspreche ihr, morgen noch mal vorbeizuschauen.
Zum Abendessen habe ich wieder fish & chips bestellt, aber bitte nur die halbe Portion.
Nach Suppe und Fisch bin ich schon wieder pappsatt, verweigere aber nicht die Scheibe Ananas als Nachtisch, weil das ja unhöflich wäre. Außerdem sind diese Früchte hier wie auch in Tanzania so extrem lecker – noch besser als die extra sweet aus Costa Rica.
Lamech, befragt, warum Uganda solch leckere Ananas nicht exportiert, meint: Nö, die liefern wir nur an befreundete Nachbarstaaten oder essen sie selbst.
1. 6. 06 Don
Heute ist mein einziger „Tag zur freien Verfügung“ auf der ganzen Reise.
Der Rest sind Fahrtage oder zugeknallt mit Gorillas. Aber das habe ich bewusst so gewollt.
Gorillas mal bis zum Abwinken, denn ich bin keine 20 mehr und weiß nicht, wie lange ich solch relativ anstrengenden Reisen noch werde machen können.
Aber wenn Alex sagt, dass ich immer noch wie eine Gazelle durch den Urwald springe, kann es so schlimm ja nicht sein. Unsere Wanderung auf der Peninsula Osa, die in den Stromschnellen des Río Claro und letztlich am Meer endete – das muss uns erst mal jemand nachmachen. Selbst die Einheimischen haben ihre Köpfe geschüttelt, uns für total verrückt erklärt.
Natürlich waren die Weg gestern glitschig, und man kann gefährlich ausrutschen, aber genau das macht mir ja solchen Spaß – Hangeln, Klettern, Stolpern, wieder aufrappeln und dabei vor Vergnügen juchzen (falls noch Atemluft vorhanden und keine Gorillas in der Nähe sind). Ich kann halt was über Biodiversität, Blubber in den Köpfen von Walen oder über Blattschneideameisen erzählen, während andere Historisches aufzählen, über Kunstschätze parlieren.
Zugegeben, ich wüsste auch da gern besser Bescheid, kann allenfalls die Archäologie der Osterinsel runterplappern. Aber so lange meine Knochen es noch mitmachen, heißt es mehr
Natur als Kultur. Die arme Phoebe ist mit 85 noch durch unwegsame Botanik gewandert, wäre vermutlich heute noch dort unterwegs, wenn sie in diesem blöden Bus nicht buchstäblich ihren Kopf verloren hätte.
Ich wandere heute nur durchs Dorf, gehe noch mal zu Tim und kaufe mir die Gorilla-Kollage
(7.000 USh.) Auch er jammert, dass er keine Freundin findet, die ihn armen Schlucker heiraten möchte.
Bei uns, erzähle ich, heiraten die Leute auch, wenn sie kein Geld haben – einfach nur, weil sie sich lieben, oder sie leben ohne Trauschein zusammen. Manche heiraten, leben aber in getrennten Wohnungen, weil sie das besser finden. Bei uns ist heutzutage fast jede Lebensform möglich . . . (Von den schwulen Partnerschaften erzähle ich Tim lieber nichts.
Ich glaube, das würde ihn überfordern).
Er seufzt: Die Traditionen ändern sich hier nur sehr langsam.
Wohl wahr. Aber wenn keiner den Mut hat, mit der Veränderung anzufangen?
In einem weiteren Souvenirladen scheine ich etwas zu stören.
Die Verkäuferin kuschelt gerade mit ihrem Baby am Fußboden auf einer Matratze.
Sie hebt kurz den Kopf, lächelt, würde wahrscheinlich aufstehen, wenn ich unbedingt was kaufen wollte. Aber so schön sind die Holzschnitzereien nun auch wieder nicht.
Lieber gehe ich nachmittags nach dem Tagebuchschreiben noch mal runter zu Susanne und kaufe das kleine Baumrinden-Täschchen mit Reißverschluss. Es ist sogar gefüttert und mit 5.000 USh. (2,50 €) für so eine aufwändige Schneiderarbeit nicht zu teuer bezahlt. Dass außerdem meine Brille reinpasst, ist praktisch.
Ich hatte meine Leica mit runter genommen, um evtl. ein Foto von Susanne zu machen.
Sie spricht mich von selbst drauf an, ob ich nicht . . . und ob ich ihr einen Abzug schicken würde. Ich habe meine Zweifel, ob das mit ihrer „Postanschrift“ klappt, verspreche aber, es zu versuchen. Sie gibt mir auch noch die email ihres Onkels, der gerade hereinkommt.
Tatsächlich habe ich im Dorf zwei Schilder gesehen, die auf einen Internetanschluss hinweisen. 500 USh. Pro Stunde ist sogar recht preiswert.
Der Onkel erzählt, jemand habe die email-Adresse bei yahoo für ihn eingerichtet, allerdings mit einer Neuseeland-domain. Aber das muss ich ja nicht verstehen. Ich verspreche, es von zu Hause mal zu probieren.
Dann ziehe ich weiter zum NP, weil ich
a) darum bitten möchte, beim morgigen Trekking vielleicht einer anderen Gorilla-Gruppe zugeteilt zu werden,
b) ich die Ranger noch nach Alter und Geschlecht der auf den Fotos abgebildeten
Tiere fragen möchte.
Die Ranger, die ich im office antreffe, sind damit überfragt. Aber sie holen jemanden, der sich mit mir an einen Tisch setzt und geduldig alle Fotos durchgeht. Bei 40 Tieren dauert das ein bisschen. Er wundert sich auch, warum ich solche Fragen stelle. Die anderen Touris kaufen einfach nur die Bilder. Ich hoffe, er meint das als Kompliment und fühlt sich von meiner Fragerei nicht genervt.
Zwischen 16.30 und 18.00 Uhr regnet es.
Zwei Briten kommen mit ihren Rucksäcken und beziehen das Zelt vis-à-vis.
Da ich gerade meine Trekking-Erlebnisse niederschreibe und noch ganz bei den Gorillas bin, begrüße ich meine Nachbar mit einem wohl strahlenden HALLO !
Als ich meinen Rucksack für morgen vorbereite, fehlt mir eine der beiden kleinen leeren Wasserflaschen, die ich extra ganz hinten unter dem Regal versteckt hatte. Drei kleine sind praktischer als das große 1 ½ -Liter-Teil.
Aber da leere Plastikflaschen hier offenbar sehr begehrt sind (Kinder hatten uns schon am Straßenrand danach gefragt), wird das Zimmermädchen oder hier eher: der Zeltjunge die Flasche wohl mitgenommen haben.
Als mir nachmittags jemand, wie üblich, das große Tablett mit Thermosflasche voll heißem Wasser samt Teebeuteln, Nescafé, Zucker und Milch zum Zelt bringt – welch ein Service! –
frage ich, ob er mir vielleicht Ersatz beschaffen könnte. – Klar, macht er.
Den Fisch zum Abendessen gibt es diesmal in Tomatensoße mit Reis.
Jemand bringt aus einer fernen Stadt eine Zeitung mit, die freudig meldet, dass der Bwindi NP in diesem Jahr 9 Gorilla-Babys zu feiern hat, je eins davon in der Habinyanja- und Rushegura-Gruppe. Das große Fest zur Begrüßung und Namensgebung soll Ende Juni stattfinden.
Schade! – Da bin ich schon weg, hätte so gern mitgefeiert.
2. 6. 06 Freitag
Frühstück um 7.15 Uhr, Abmarsch zum NP wieder um 7.45 Uhr.
Ich bin heute der Rushegura-Familie zugeteilt, hüpfe vor Freude, weil ich hoffe, auch das
2. Baby sehen zu können.
Ranger ist wieder Joseph.
Heute sind wir 7 Touris in der Gruppe und wandern direkt vom Info-Office los, ohne Autofahrt. Wegen der starken Nachfrage nach permits hat man die Gruppenstärke von 6 auf 7 erhöht.
Zwei meiner Mit-Trekker tragen Schuhe, die man nicht gerade als Wanderschuhe bezeichnen kann. Prompt rutscht das Mädchen auch wie auf Glatteis über den schlüpfrigen Lehmboden.
Wir müssen zwar auch heute einen Berg erklimmen, doch der Weg ist längst nicht so steil, sondern windet sich im Zick-Zack mit Spitzkehren langsam hinauf. Um 8.45 Uhr laufen wir los, sind um 9.00 Uhr oben (mit 1 Pause), ohne dass ich total außer Puste gerate.
Dann geht’s bergab und 10 Min. später heißt es bereits: Rucksäcke ablegen! Kameras raus!
Ab nun allerdings krauchen wir hinter Tracker Amos durch die dichte Botanik her, die er für uns mit einer Machete etwas passierbar macht. Das Ergebnis ist (nicht für die anderen, aber für mich) etwas enttäuschend: Der SR kaum zu sehen, 2 infants, die fressen, 2 weitere, die fern in einem Baum herumturnen.
Die Lichtverhältnisse sind passabel. Manchmal gelingt mir sogar eine Portr
aitaufnahme eines der Kindergesichter.
Auf meine Bitte hin zeigt mir Joseph die Pflanzenstängel, die die Gorillas gerade schälen.
Ich probiere auch einen, kann ihre Vorliebe für das faserige Grünzeug aber nicht teilen.
Von den insgesamt 13 Mitgliedern dieser Gorilla-Familie sehen wir nur fünf. Von der Mutter mit dem Baby keine Spur. Fast fange ich an, mich ein bisschen zu langweilen.
Kurz vor Ende der Beobachtungszeit verschwindet der SR im Busch, und Amos schlägt nochmals eine Bresche für uns. Aber auch vom neuen Standort aus sehen wir ihn kaum, nur sein breites silbriges Kreuz.
Einer seiner Sprösslingen gibt noch eine Zulage, hängt sich mit weit abgespreizten Armen und Beinen zwischen zwei Äste: Guckt mal, wie toll ich schon klettern kann!
Gegen 10.25 Uhr – schon etwas über der Zeit – kehren wir um, nehmen unsere Rucksäcke und marschieren bergauf zu den Bänken, die man für das Touri-Picknick in den Wald gestellt hat. In meiner Lunch-Box finde ich neben den erbetenen 3 Bananen und dem Ei auch eine dicke Scheibe Käse und etwas Ananas.
Das kann nur die treue Seele Malcom gewesen sein, der im Restaurant bedient und sich gemerkt hat, dass ich zum Frühstück gern etwas Käse esse. Später, als er mir den five-o’clock-tea vors Zelt bringt, frage ich ihn, ob er der Engel war, der an den Käse für meine Lunch-Box gedacht hat. Er strahlt.
Ganz herzlichen Dank! Das ist ein Service hier wie im 5-Sterne-Hotel!
Nach unserem Picknick geht’s nur noch bergab, eine ganze Stunde lang.
Und diese ganze Strecke habe ich vorhin problemlos bergauf geschafft? – Gute Kondi!
Gratuliere!
Meine Urkunde von vorgestern habe ich zwar mitgebracht, damit nur das 2. Datum nachgetragen werde. Aber sie haben mir doch noch eine völlig neue ausgestellt.
Meine Idee, Papier zu sparen, ist nicht angekommen.
Die Dusche samt Haar waschen mit kaltem Wasser ist jetzt richtig angenehm.
Endlich wieder sauber!
Und als Malcom mir zu dem Tee-Tablett auch noch 4 Doughnuts bringt, bin ich wunschlos glücklich. Drei davon hebe ich mir für morgen auf, weil ich nachmittags ja noch einen Teller Spaghetti Bolognese bestellt habe.
Wieder zeigt Malcom, dass er ein sehr aufmerksamer Gastgeber ist: Bolognese? – Aber da ist doch Fleisch drin, und Sie sind Vegetarierin!
Stimmt, sage ich, Sie sind ein verdammt guter Beobachter! Aber vegetarisches Essen ist für mich keine Religion. Die toten Tiere tun mir tatsächlich leid. Doch genauso hasse ich es, in fettes Fleisch zu beißen oder auf zähen Sehnen herumzukauen. Bei der Spaghettisoße aber ist das Fleisch so klein gehackt, dass ich mich nicht davor ekle. – Es sei denn, die Bolognese wird hier aus bushmeat gemacht . . .
Oh, nein – das würde hier niemand in der Region tun! Wir sind so froh, dass Sie und die anderen Touristen kommen! Weil wir die Tiere schützen, geht es uns gut, wir haben Arbeit, unsere Kinder können zur Schule gehen . . .
Malcom bestätigt, was mir auch Amos, der Tracker schon gesagt hatte.
Ich fragte ihn ganz vorsichtig, ob er denn finde, dass er für seine wahrlich harte Arbeit so bezahlt wird, dass er und vielleicht seine Familie davon leben kann.
Amos‘ Antwort begann mit einem strahlenden Lächeln und kam so schnell, dass ich ihm glaube: Sehr gut sogar könne er mit seiner Familie davon leben. Ja, die Arbeit sei sehr anstrengend – von Sonnenaufgang bis abends um 9 sei er bei den Gorillas – aber das mache ihn glücklich. Er liebe die Gorillas wie seine eigenen Kinder. Alle werden eine sichere Zukunft haben.
Hört sich toll an. Und ist trotzdem erst der Anfang. 2003 haben sie wieder 2 Tiere durch Wilderei verloren. Die Zusammenarbeit mit Rwanda und dem Kongo laufe aber gut. Wenn die Gorilla-Familien in eins der Nachbarländer wandern, wird untereinander Meldung gemacht und das Monitoring dort übernommen.
Meine britischen Nachbarn waren heute bei der Habinyanja-Familie und mussten nur
½ Stunde laufen, bis sie Blickkontakt hatten. Das war aber vom SR Rwansigazi im wahrsten Sinn des Wortes sehr entgegenkommend.
3. 6. 06 Sam
Zweimal musste ich heute Nacht raus.
Nach dem Abendessen die Tasse Kaffee und dann noch die 2 Gläser Wein mit den Briten waren ein bisschen zu viel. Die beiden sind für eine Reiseagentur unterwegs, um neue Unterkünfte zu testen, hatten auch sonst so einiges zu erzählen – jeweils gewürzt mit dem von mir so geschätzten typical british sense of humor und dem auch sehr britischen Akzent
(diesen Slang der Amis kann ich nicht ausstehen) – dass der Abend halt etwas länger wurde.
Meine beiden Churchill-Begleiter hatten sich längst zurückgezogen und froren sich in ihrem Zelt wahrscheinlich schon die Füße ab.
Das „nachts raus müssen“ hatte ich dank einer geköpften großen Plastikflasche umfunktioniert zum „Drinbleiben“.
Da wir heute einen langen Weg nach Rwanda vor uns haben. Wird schon um 7.00 Uhr gefrühstückt. Lamech und Brighton erscheinen in gefütterten Jacken . . .
Das Bezahlen der Rechnung (Wein und Wasser 33.000 USh.) hatte ich gestern Abend noch erledigt, so dass wir um 8.00 Uhr los können.
Die Straßen sind miserabel. Mir wird ein bisschen schlecht. Ich tausche die Sitze mit Lamech.
Vorn geht es besser. An einem Wachposten fragt uns der Uniformierte, ob wir einen Mann mitnehmen könnten, der in einem Dorf auf unserer Strecke eine medizinische Behandlung braucht. Brighton und Lamech fragen mich, ob das recht sei. Keine Frage. Natürlich.
Ich habe schon oft unterwegs überlegt, ob wir nicht eine Frau mit ihren Wasserkanistern mitnehmen könnten, dachte aber, dass Churchill das vielleicht aus versicherungstechnischen Gründen nicht erlaubt.
Als wir den Mann abgesetzt haben, gehen Brighton und Lamech in eine dunkle Kaschemme, um Getränke zu kaufen (leckere FANTA in Neon-Orange). Ich bleibe als Wache im Auto, bin aber bald von einer Horde Kindern umringt, die mich mzungu anstarren.
Als die beiden zurückkommen, meint Brighton, wir könnten wirklich froh sein, dass jetzt keine Regenzeit ist, sonst wären die Straßen in noch schlechterem Zustand. Für mich kaum vorstellbar.
In Kisoro stoppen wir am Kisoro Tourist Hotel, wo ich meine letzte Nacht in Uganda verbringen werde. Die beiden gehen was erledigen. Ich verbleibe in der Obhut einer freundlichen Dame, die mir einen Saft aus frischen Passionsfrüchten raus auf die Wiese bringt, wo ich meine Beine ausstrecke und das kleine Betonbecken unter einem Wasserhahn fülle. Vögel saßen schon da und warteten auf etwas Trinkbares.
Zur Grenze sind es dann nur noch 40 Minuten.
Die Ausreise-Formalitäten sind schnell erledigt, obwohl wir alle drei mehrmals Zettel mit immer denselben Fragen ausfüllen müssen.
Die Einreise nach Rwanda scheitert zunächst daran, dass der Schalter geschlossen ist.
Ich wandere ein bisschen herum, bin sofort wieder von Kindern umringt, doch die hier betteln mich um „pen“ an.
Englisch scheinen sie nicht zu verstehen, also frage ich sie auf Französisch, wofür sie den „pen“ brauchen. Antwort: pour l’école. Ich schaue auf die Uhr, sage: Aber es ist doch erst 14.00 Uhr. Da ist die Schule doch noch gar nicht zu Ende. Ihr geht also gar nicht zur Schule.
Schweigen. Dann sagen sie „money“.
Auf der Weiterfahrt von insgesamt noch 2 Stunden merke ich schnell den Unterschied.
Das Betteln der Kinder hier wird mir bald auf die Nerven gehen.
Außer „pen“ wollen sie auch leere Plastikflaschen, rennen, sobald sie ein Auto hören, aus den hintersten Ecken ihrer Gärten auf die Straße, so dicht am Jeep entlang, dass Brighton irgendwann stoppt, aussteigt und mit einer am Straßenrand stehenden Mutter in ihrer Sprache schimpft, sie möge doch besser auf ihre Kinder aufpassen. Die seien so klein, dass sie gar nicht die Gefahr abschätzen – und verletzt werden können.
Die Mutter macht tatsächlich ein betretenes Gesicht, hat wohl nicht erwartet, dass ein Schwarzer mit einer mzungu im Auto ihr in der Landessprache Vorhaltungen macht.
Brighton: Die Leute hier denken nicht nach. Ihre Kinder gehen lieber betteln als in die Schule und bringen sich dann auch noch in Gefahr. Irgendjemand muss es ihnen ja mal sagen.
Wie viele afrikanische Dialekte sprechen Sie eigentlich? frage ich ihn. – Acht.
Chapeau! Da kann ich mit meinen popeligen drei Fremdsprachen ja einpacken.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir das Gorilla Nest Resort – wie nach Erzählungen anderer Touristen schon befürchtet, ein ziemlich nobler Palast.
Ich will zurück ins Zelt-Camp oder in die Ndali Lodge! flüstere ich Lamech zu.
Große geflieste Eingangshalle, die sich nach draußen zu einem Rondell aus Wiese und Steinwegen öffnet. Gruppen von Tischen und Stühlen gaukeln Gemütlichkeit nur vor.
Eine Bar, ein open-air-Speisesaal komplett eingedeckt comme il faut. Bestimmt legen hier die Kellner auch die linke Hand auf den Rücken, wenn sie den Wein einschenken.
Warum bloß mag ich dieses Ambiente nicht?
Im Hintergrund die Reihen-Bungalows, von denen ich die Nr. 9 bekomme.
Doppelbett, 2 Schichten Decken gegen die nächtliche Kälte, vor der Lamech schon graust.
Schreibtisch, kleine Garderobe und im Bad wieder keine Ablageflächen für meine sog.
Kulturtasche. Unter dem Spiegel nur ein billiges Plastikteil, auf das ich nichts zu stellen wage.
Aber warme Dusche und wieder Flipflops.
Meine Begleiter und ich gönnen uns nach der Fahrt eine verspätete tea-time im Garten und gehen um 19.30 Uhr zum Abendessen.
Ich nehme nur eine Suppe und den „Meeresfrüchte-Salat“, dessen Bild auf der Karte Leckeres versprach. Auf dem Teller finde ich dann durchgesupptes Weißbrot, geraspelten Kohl, Tomate, Gurke und – Thunfisch aus der Dose.
Ich weiß nicht, wie wir ausgerechnet beim Essen auf das Thema Klos kommen. Vielleicht weil Lamech sich wunderte, dass ich auf den Tankstellen nicht mal vor diesen Abtritten mit einem Loch im Boden zurückschrecke. Nun ja, eine bushtoilet, wie ich sie nenne, ist mir natürlich lieber. Dann erzählt er von seinen Klo-Erfahrungen beim allerersten Flug seines Lebens. Wie er in der engen Kabine stand, die Spülung suchte und sich nicht traute, auf einen der vielen Knöpfe und Hebel zu drücken – aus Angst, er könne etwas beschädigen oder eine Falltür ginge plötzlich auf. Und dann diese Peinlichkeit, seine Hinterlassenschaft nicht beseitigen zu können – der Schreck, als nach beherztem Knopfdruck plötzlich mit lautem Getöse alles wasserlos weggesaugt wurde.
Wir beäumeln uns köstlich.
Dann muss Brighton aufs Klo und steht auf.
Als er wiederkommt, berichte ich gerade von diesen japanischen Hightech-Toiletten, für deren Bedienung man fast eine Promotion braucht.
Brighton kommt zurück, grinst: Mein Gott! Seid Ihr immer noch bei dem Thema!
4. 6. 06 Son
Uhren-Chaos.
Gestern beim Grenzübertritt erinnerte Lamech daran, dass in Rwanda die Uhren 1 Stunde
zurückgestellt werden müssen, berichtigte sich dann aber, sie müssten vorgestellt werden.
Ich stutzte zwar, weil mir so war, als sei zurückstellen richtig, verließ mich aber auf meinen sonst so klugen Reiseleiter und stellte meine Uhr also 1 Stunde vor.
Folglich musste ich heute morgen 1 Stunde früher aufstehen – nach Ortszeit also 6.30 Uhr
(Uganda-Zeit 5.30 Uhr).
Frühstück gibt es lt. Hotel-Plan ab 6.00 Uhr. Um 6.45 Uhr wollten wir uns am Jeep treffen.
Als ich um 6.00 Uhr den Bungalow verlasse, ist es draußen noch stockfinster. Mit der Taschenlampe suche ich den Weg zum Hauptgebäude, wo noch kein einiges Licht brennt.
Komisch. Die Tür zur Halle ist noch mit einem Stuhl verstellt.
Ich warte kurz, gehe wieder zum Bungalow, kehre um 6.20 Uhr zurück.
Immer noch alles dunkel. Um 6.30 Uhr dasselbe. Genervt lege ich mich in voller Wander-
Montur aufs Bett, lasse nur die Füße draußen hängen, bin schon angesäuert:
Soll ich etwa ohne Frühstück zum Trekking fahren?
Lamech und Brighton sind auch noch nicht da. Langsam finde ich das nicht mehr komisch.
Ohne Essen gehe ich nicht auf eine vielleicht anstrengende Wanderung. Dann fällt das Trekking für mich eben aus und verlange meine 360 $ zurück.
Kurz vor 7.00 Uhr schiebe ich den Stuhl an der Eingangshalle beiseite, betrete den Speiseraum und nehme von dem wenigen, was da bereits aufgebaut ist, ein Glas trockene Ricecrispies mit. Als das geleert ist, kommen Lamech und Brighton. Nun klärt sich der Irrtum auf – die Uhren werden doch zurückgestellt, d.h. ich bin volle 2 Stunden zu früh aufgestanden und not at all amused.
Statt mit Lamech zu schimpfen schimpfe ich laut über mich, weil ich mich wider besseren Wissens auf andere Leute verlassen habe, obwohl meine Erfahrung mir immer wieder zeigt, dass ich dann verlassen bin. Vertrauen sollte ich lieber nur auf mich selbst und meine eigenen Informationen. Der „Erfolg“ meines Vertrauens ist, dass ich 2 Stunden länger hätte schlafen können und jetzt verdammt müde bin.
Ich kann nur hoffen, dass mich die Gorillas für diesen morgendlichen Frust entschädigen werden.
Über eine nicht mehr zu unterbietende Buckelpiste fahren wir zum Eingang des Volcanoes National Park. Die Entfernung zum Hotel ist zwar nicht groß, fast in Sichtweite, doch brauchen wir dank der Straßenverhältnisse ca. 15 Min. für die kurze Strecke.
Um 7.00 Uhr ist Treffen vor dem Büro mit den Rangern.
Ziemlich viele Touristen laufen/stehen schon herum. Jeder Gorilla-Familie werden 8 Leute zugeteilt, also einer mehr als in Uganda. Da sich die permits angeblich wie hot cakes verkaufen, sehe ich schon, dass man irgendwann mit Gruppengrößen à la Neckermann die Primaten heimsuchen wird.
Kleiner Luxus am Rande: Vor dem Büro steht ein Tisch mit Thermoskannen voller Tee und Kaffee, damit sich die Affen-Geilen vor der Wanderung noch stärken können.
Ich bin heute der SABYINYO-Gruppe zugeteilt. Unser Ranger ist Oliver.
Das briefing enthält dieselben Ge- und Verbote wie in Uganda: 7 m Mindestabstand, nicht essen, nicht rauchen in Gegenwart der Gorillas, kein Blitzlicht, keine laute Unterhaltung (ich gucke mir die beiden amerikanischen Ladies in unserer Gruppe an und denke: na hoffentlich kreischen die nicht beim 1. Blickkontakt oh my God!), nicht wegrennen bei Scheinangriffen . . .
Seelisch habe ich mich schon lange auf so einen Scheinangriff vorbereitet, sehne ihn sogar herbei. Irgendwo auf einer Webseite stand: Wenn ein Silberrücken auf Sie zugerannt kommt, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit nur um einen Scheinangriff. Ignorieren Sie ihn einfach.
Ich musste unwillkürlich lachen: Wie, bitte schön, ignoriert man so einen Koloss, der mit seinen 200kg auf einen zustürmt? Ich jedenfalls würde mich sofort entzückt hinhocken und Blätter fressen.
Wieder müssen wir erst 15 Min. mit den Jeeps fahren, halten zwischen einigen Häusern, bevor um 8.10 Uhr endlich die Wanderung beginnt. Wider Erwarten geht es überhaupt nicht bergauf – nur in der Ebene zwischen Feldern entlang.
Eine brusthohe Mauer am Rand eines Bambus-Wäldchens soll die Bevölkerung daran erinnern, wie weit sie ihren Ackerbau betreiben dürfen. Umgekehrt gelten für die Gorillas natürlich keine Regeln. Deshalb sind sie in der vergangenen Nacht auch erlaubter Weise über die Mauer geklettert und haben sich an den Eukalyptus-Sträuchern gütlich getan.
Man kann noch die frischen Bisse in der Rinde der umgeknickten Bäumchen sehen.
Nun klettern wir über in entgegen gesetzter Richtung die Mauer, betreten den sumpfigen Bambuswald und müssen auch noch in gebückter Haltung durchs Unterholz krauchen.
Aber was tut man nicht alles, um seine Verwandten zu besuchen und ihnen beim Fressen, Rülpsen, Furzen, Grooming und Spielen zuzuschauen.
Trotzdem empfinde ich den Weg geradezu als Spaziergang. Und nach einer guten Stunde heißt es bereit: Wir sind da!
Die Tracker laufen mit ihren Macheten voraus, bahnen uns einen Weg und: Voilà!
Anfangs sehe ich nur Gesichter, die fressen, Hände, die Gestrüpp abreißen, Bambus umnieten.
Dann in unseren Rücken ein Gebell. Streiten sich da zwei?
Nein, zwei Jugendliche raufen nur spielerisch miteinander. Die Ranger bahnen einen neuen Weg, damit wir freien Blick auf das Getümmel bekommen:
Die Gorillas haben um einige wenige Bäumchen herum eine Art Kreisverkehr eingerichtet, jagen sich mal in die eine Richtung, dann in die andere, stoppen, balgen sich in einem fingierten Box-Kampf, rennen wieder im Kreis und kreischen dabei mit gebleckten Zähnen.
Stumm vor Entzücken schauen wir dem Getümmel zu.
Dann ist erst mm Ruhe und Fresspause bei den Kontrahenten.
Aber es gibt schon wieder ein neues Beobachtungsziel. Im Hintergrund, noch etwas verdeckt, erscheint Guhonda, der SR, mit einer seiner Ladies und dem 8 Wochen alten, noch namenlosen Baby auf dem Rücken. Und ganz in der Nähe klettert ein 9 Monate alter Sprössling herum.
Nun wird’s turbulent: Von rechts und links tauchen schnellen Schrittes ein Gorilla-Kind und ein Subadulter auf und wollen partout genau dort vorbei, wo wir gerade dicht gedrängt stehen.
Leise gibt Oliver das Kommando: Back! Wir tun unser Bestes, um auszuweichen. Aber im Vorbeihopsen grabscht der Kleine übermütig nach dem Hosenbein des Rangers.
Schade, dass er nicht meine Hose erwischt hat! Ich hatte extra auf das Besprühen meiner Haut und Kleidung mit irgendwelchen Mückenmitteln verzichtet für den Fall, dass es doch bitte hoffentlich zufällig doch zu einem Körperkontakt kommt.
Die beiden Kontrahenten aus dem „Kreisverkehr“ haben ihren Kampf wieder aufgenommen,
toben wie die Bekloppten herum, bis einer schließlich auf dem Rücken des anderen landet.
Der Scheinsieg ist perfekt. Der „Unterlegene“ zeigt seine Zähnchen und kichert.
Auch ein subadulter Beobachter dieses Kampfes scheint sich königlich über dessen Ausgang zu amüsieren, legt sich flach auf den Rücken, strampelt mit beiden Beinen in der Luft und trommelt gegen seine Brust. – Lebensfreude pur.
Die Stunde ist fast um – da fordert uns der Ranger nochmals auf, ihm zu folgen.
Das Sahnehäubchen hat noch gefehlt: Hinter dem abgeschlagenen Gestrüpp präsentiert sich in seiner ganzen Mächtigkeit zum Abschied der Silberrücken.
Eins seiner Kinder will auch gerade verschwinden, dreht sich um und verliert im Gehen ein hellgrünes weiches Würstchen – der frischeste Gorilla-Dung, den ich je bewundern durfte.
Die Fotoapparate piepsen und klicken. Nur der von einer der Ami-Tanten blitzt auch.
Entweder merkt sie es gar nicht oder sie will es nicht merken, weil sie vorher schon gejammert hatte, a) sie könne bei dem schlechten Licht doch keine guten Fotos machen und b) wisse sie ohnehin nicht, wie sie an ihrem Apparat den Blitz ausschalten soll.
Oliver „hilft“ ihr, indem er beim nächsten Foto von hinten einfach den Finger auf ihren Blitz hält, so das der gar nicht erst hochklappen kann.
Nach leichter Überziehung der Beobachtungszeit kehren wir zur Mauer zurück.
Alle sind begeistert, rekapitulieren noch mal schwärmerisch das soeben Gesehene.
Auf der Rückfahrt zum NP-Büro kommen wir am Gorilla Nest vorbei. Ich bitte den Fahrer, mich gleich hier abzusetzen. Ich habe keine Lust, mich zum Churchill-Jeep zurück kutschieren zu lassen, um dann den holprigen Weg noch mal mit Lamech und Brighton passieren zu müssen. Der Fahrer wird den beiden Bescheid sagen, dass ich schon im Hotel bin.
Nachmittags bestelle ich mir an der Bar meinen africa tea und will mein Tagebuch schreiben, komme aber nicht dazu. Als mir der nette Kellner das Tablett bringt, bleibt er stehen und fängt ein Schwätzchen an, erzählt, dass er – wie sein Kollege aus dem Speisesaal –
„Gastarbeiter“ aus Uganda ist, seine Familie in Buhoma lebt, wo ich gerade herkomme, und all sein Geld spart, um bald ein Mädchen heiraten zu können, das zurzeit noch in Kampala studiert.
Am liebsten würde ich ihn ja gern bitten, sich eine 2. Tasse zu holen, sich einfach zu mir zu setzen, damit wir beim Tee weiter plaudern können. Aber das darf er bestimmt nicht, weil er im Dienst ist.
Jackson, der Manager des Hotels, hat’s da leichter. Er kommt und erzählt, dass er heute gerade zurückgekehrt – aber noch off duty sei, fragt, wie es mir hier gefällt und ob er sich setzen dürfe. Ich klappe mein Tagebuch zu und berichte, dass ich diese Unterkunft für mich etwas oversized finde und das lokale Ambiente vermisse.
Dieser hohe europäische Standard sei ja gut gemeint, doch ziehe ich persönlich im Urlaub rustikale Unterkünfte mit einheimischem Flair vor. Das wackelige Plastikbord im Badezimmer erwähne ich auch, lobe aber das überaus freundliche Personal, die wunderschöne Aussicht vor den Bungalows, das üppige Frühstücks-Buffet. Nur zum Abendessen hätte ich gern mal regionale Küche.
Jackson schlägt ein vegetarisches Curry vor mit Kochbanane, Yams, Nüssen und Chapati, das er mir zubereiten lassen will. Ein Angebot, dem ich natürlich nicht widerstehen kann.
Es schmeckt auch ganz vorzüglich.
5. 6. 06 Mon
Gestern hatte ich den Wecker zwar brav auf die nunmehr richtige Zeit eingestellt, aber leider vergessen, den Alarm-Knopf einzuschalten. So habe ich heute unabsichtlich den Schlaf nachgeholt, den ich gestern versäumte.
Zufällig wache ich um 6.00 Uhr auf und starte das Notprogramm, um rechtzeitig beim Frühstück zu sein. Bohnen in Tomatensoße scheint mir genau das Richtige zu sein; viele Kohlenhydrate für die bevorstehende Wanderung.
Heute bin ich in der Gruppe 13 zusammen mit Bellinda + Lindsey (USA) und Cathy + Art
(Australien). Wir sind also nur 5 Leute. Wunderbar.
Unsere Ranger Dee und François erzählen, dass der SR dieser Gruppe ein ausgesprochen sanftmütiges Tier und ca. 25 Jahre alt sei. So genau wisse man das nicht, weil er erst vor
3 Jahren nach einem Kampf mit dem alten SR zur Gruppe gestoßen sei und aus seiner früheren Gruppe 3 Weibchen mitgebracht habe, die ihm gefolgt waren.
Der alte SR lebe jetzt als Einzelgänger im Wald. Von ihm waren die zwei verbliebenen Weibchen bereits schwanger, und es bestand die Gefahr, dass der Neue die Babys töten würde, weil sie nicht seine Gene tragen. Zur großen Überraschung aller tat er es aber nicht, sondern zeugte mit seinen mitgebrachten Damen auch noch Nachwuchs, so dass in kurzem Abstand seine kleine Familie um 5 Mitglieder erweitert wurde und er auch für die Adoptivkinder ein liebevoller Patriarch wurde.
Wie liebevoll, sollten wir bald erleben.
Wieder brechen wir um 8.10 Uhr mit dem Jeep zu den Hütten von gestern auf, wandern heute aber nach links in die Felder. Auf dem Weg zur Mauer nieselt es ein bisschen, hört aber bald wieder auf. Ich trage den Regenponcho trotzdem noch eine Weile, denn es ist heute ziemlich kühl und windig.
Hinter der Mauer wird der Boden im Bambuswald gleich sehr matschig und unwegsam.
Oft müssen wir gebückt oder gar in der Hocke durch dunkle Bambustunnel krauchen.
Auf einer Lichtung zeigt und François, woraus so ein „Gorilla-Salat“ besteht: wilder Sellerie, Bambussprossen, Disteln. Alles wird geschält oder die stacheligen Blätter am Stiel entlang zu einem Sträußchen abgestreift. Die Disteln sind dabei ihr Trinkwasser, die Stiele so voller Saft, dass man sie wie einen Schwamm auspressen kann. Dazu nehmen die Gorillas gern jene Klettenpflanze, die sich schon die ganze Zeit mit konstanter Hartnäckigkeit an unserer Kleidung festhält. – Auch eine Form der Verbreitung der eigenen Art: Man hefte sich an die Hosenbeine wehrloser Touristen und lasse sich hoffentlich weit wegtragen, wo sie einen dann abstreifen. Samen-Taxi.
Heute müssen wir bis 9.30 Uhr wandern, bis wir unsere Rucksäcke ablegen können.
Das auch nicht nur, damit wir unbeschwert von Gepäck unsere Fotos machen können.
Die Tracker bewachen sie, damit nicht hinter unseren Rücken Gorillas an die Rucksäcke rangehen und unsere Lunch-Pakete rausfischen.
9.30 Uhr.
Die Beobachtungszeit beginnt gleich mit dem Chef. Während andere SR sich gern im Hintergrund halten, um uns und seine Damen verdeckt überwachen zu können, sitzt der hier offen auf einer Lichtung. Ein beeindruckend großes Gesicht, rabenschwarz, ruhige Augen. Ganz in seiner Nähe turnen ein 8 Monate altes Wollknäuel und ein 2Jähriges Mädchen herum – teils am Boden, teils in den Bambusstangen.
Isn’t it cute! Flüstern wir alle gleichzeitig.
Auf die 7 m Distanz scheinen die Ranger überhaupt nicht zu achten. Bis auf ein oder zwei Meter lassen sie die kleinen Clowns an uns heran, die oft mitten im Spiel innehalten, als wollten sie uns Gelegenheit für schöne Portraitfotos geben.
Rücksichtsvoll wechseln wir uns auf den besten Standorten immer wieder ab.
Cathy tippt mir auf die Schulter, zeit nach hinten: Da sitzt ja auch noch einer. Ganz lässig schaut er uns von hinten zu, vielleicht sogar beleidigt, dass wir ihn(sie?) noch gar nicht als Model registriert haben.
Inzwischen ist es 10.00 Uhr – Zeit für die erste Siesta nach dem morgendlichen Gorilla-Frühstück. Die Dame links neben dem SR sieht auch wirklich schon etwas schläfrig aus, kippt müden Hauptes langsam vornüber, kann ihre Augen kaum noch offen halten und nickt schließlich ganz ein.
Nur ihr Gatte wacht noch.
Als Lindsey seinen Standort wechselt, schaut der SR ihn kurz an und bleckt für einen Moment die Zähne. Nein, freundlich sieht das nicht aus. Dee übersetzt auch gleich:
Lass die Finger von meinem Futter! Soll das heißen. Dann aber legt sich auch der Patriarch
Bäuchlings ins Gras, die Beine und Arme unter dem Körper verschränkt, den Riesenschädel auf den Boden.
Nur die beiden youngsters denken natürlich überhaupt nicht an Mittagschlaf, sondern turnen, toben, rutschen auf dem schlummernden väterlichen Fleischberg herum. Papa nimmt’s gelassen, rührt sich nicht, hofft wahrscheinlich, dass seine Sprösslinge endlich mal Ruhe geben.
Aber wie Kinder so sind, nehmen sie auf die Bedürfnisse der Eltern selten Rücksicht und toben weiter. Papa wird’s zu bunt. Er richtet sich halb auf, greift sanft nach dem Kopf seines Jüngsten, will sagen: Störe mich jetzt nicht! und legt sich wieder hin – wobei ihm ein gewaltiger Furz entfährt.
Kommentar des Australiers Art: So laut kann ich auch, aber nicht so lange . . .
Und die Gören toben ungerührt weiter.
Die Ranger hacken derweil irgendwo im Gebüsch herum – evtl. sogar nur, um den SR wieder aufmerksam zu machen, damit für uns Touris action ist. Das fände ich dann allerdings nicht so gut.
Er erhebt sich auch tatsächlich, läuft geschwind zum Busch rüber, sieht nach dem Rechten, notfalls bereit, seine Familie zu beschützen, legt sich dann aber wieder an seinen alten Platz, um sein Nickerchen fortzusetzen.
In den Rest der Gruppe kommt Bewegung. Da die Lichtung klein ist und wir kaum zurückweichen können, laufen einige Gorillas direkt vor unseren Füßen vorbei.
Es ist fantastisch! Zum Greifen nah!
Als eins der Babys in den Bambusstangen Art plötzlich zu nahe kommt, gibt François einige abgehackte Grunzlaute von sich (Geh weg! Mach das nicht!), und prompt trollt sich der Winzling mit einem von der Zurechtweisung offenbar beeindruckten Gesicht.
Noch eine Fremdsprache, die ich gern beherrschen würde.
Ich habe mich inzwischen in gebührender Entfernung neben den SR gehockt, bewundere stumm sein riesiges Gesicht, die faltige Nase, die hohe Stirn. Was geht wohl in ihm vor, wenn er die Touristen sieht? Wovon träumt er gerade? Döst er? Schläft er oder tut er nur so? Wünscht er uns insgeheim zum Teufel?
Manche Leute zu Hause haben mir mit einem Unterton „Gute Reise“ gewünscht, als zweifelten sie an meiner gesunden Rückkehr. Gorillas sind doch Monster und könnten Menschen auffressen. Ich wünschte, sie würden mich hier sitzen sehen und sich von Gegenteil überzeugen lassen.
Die meisten haben zwar Gorillas in The Mist gesehen. Aber dass ich hier nun auch so dicht neben einem sitze, das glaubt mir eh niemand.
In diesem Moment erhebt sich der SR wieder und – als wollte er die von mir Bedachten Lügen strafen – rutscht beim sich Umdrehen näher an mich heran, ist nur noch 2 m entfernt.
Den Mindestabstand immer im Kopf, will ich mich vorsichtig erheben und zurückweichen.
Bleib sitzen! flüstert Dee.
Danke! Nur allzu gern! denke ich, senke meinen Kopf und schmule nur noch aus dem Augenwinkel. Der Dicke guckt mich über die Schulter an, lässt seinen Arm vom Schoß auf den Boden sinken, kratzt sich mit der anderen Hand . . . Nun mach‘ schon, Dicker, denke ich, leg Deinen Arm um mich!
Tut er aber leider nicht. So sitzen wir da wie ein schüchternes Liebespaar; keiner traut sich was zu machen. Gruppenbild mit Dame.
Dee flüstert: Give me your camera!
Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht, nur, dass dies einer jener Momente ist, von denen ich später sagen werde: Meine schönsten Fotos habe ich nicht auf Celluloid, sondern im Kopf. Ein sehr bewegender Augenblick. Nur vergleichbar mit jenem, als ich vor Pico vom Boot aus ins Meer glitt und zum ersten Mal von Delphinen umringt war. Wie ein Tümmler –
Bauch nach oben – unter mir schwamm, mich beäugte und ich ein Kribbeln durch die Tauchjacke spürte, als er mich (wie die Biologin mir später erklärte) mit seinem Sonar
„abgetastet“ hat.
Vielleicht kein Zufall. Gorillas, Wale, alle gehören wir doch zur selben Art.
Nachdem Dee ein paar Fotos gemacht hat, schleiche ich mich weg, gebe den Weg frei, damit auch die anderen zum Zuge kommen.
10.45 Uhr
Die Stunde ist um. Satt und zufrieden kehr ich mit den anderen um. Auch sie sind überwältigt, freuen sich, von mir zu hören, dass es sogar für mich bisher das schönste Trekking war. Für uns alle ein ganz besonderes Erlebnis.
Diesmal steige ich nicht vor dem Hotel ab, sondern fahre zur Parkverwaltung zurück, wo Lamech und Brighton auf mich warten.
Na? – Müde? fragt Brighton.
Nein. Nur glücklich.
Ich verabschiede mich ganz herzlich von meinen Mit-Trekkern. Wir wünschen uns alle eine gesunde Weiterreise und bestätigen uns, dass wir ein gutes Team waren. Tolle Gruppe –
wie die Dreizehn.
Abendessen: Buffet – Zwiebelsuppe, Tilapia, Salat (ohne Disteln) und gebackene Kartoffeln.
6. 6. 06 Die
Da wir nach dem Trekking heute gleich zurück nach Kisoro fahren müssen, bitte ich schon vor dem Frühstück, man möge meine Rechnung fertig machen.
Zunächst hatte ich nur Quittungen unterschrieben, das System aber nicht ganz durchschaut.
Für die Flaschen Wasser, die ich zum Essen bestellt hatte, gab es nur 1 Beleg über eine einzige Flasche. Dasselbe für meine nachmittäglichen Teekannen. Die Lunch-Pakete wurden offenbar überhaupt nicht berechnet, obwohl ich nur HP habe. Letztlich habe ich
1 x 500 Rfrc. (ca. 1 $) für 1 Flasche Wasser bezahlt.
Heute soll ich der Amahoro-Gruppe (Frieden) zugeteilt werden.
Zunächst sind wir nur 3 Leute, aber dann kommen noch weitere drei dazu, die eigentlich in die Susa-Gruppe wollten. Die aber war bereits vollzählig. Ich weiß gar nicht, warum sich die Leute alle um diese Gruppe reißen. Sie soll auch ein Baby dabei haben, aber schwer zugänglich sein.
Durch die Debatte, wer nun wo mitwandert, verzögert sich unser briefing und die Abfahrt.
Diesmal sind wir über 1 Stunde mit dem Jeep unterwegs – über schlechteste „Straßen“ natürlich. Eine unserer Mitreisenden hat endlich eine treffende Bezeichnung dafür gefunden:
Ausgetrocknetes Flussbett.
Dann folgt eine 1Stündige Wanderung bis zur Mauer, wo erst das eigentliche Trekking beginnt – unter verschärften Bedingungen. Die Vegetation in diesem Teil der Virunga-
Berge ist ganz anders als das, was wir bisher durchkrochen haben – viel üppiger und teilweise mannshoch.
Jetzt merke ich auch, warum die Colibris zur Mitnahme von Handschuhen raten.
Einen Trampelpfad gibt es nur anfangs, dann geht es mitten durchs Gestrüpp aus besonders boshaften Brennnesseln, hohen Disteln, deren Stiche durch die Hosenbeine noch am nächsten zu spüren sein werden. Eine Machete hat unser Ranger auch nicht dabei, dafür Regenhose und –jacke, die ihn gut vor der aggressiven Vegetation schützen.
Weil er immer erst das Gestrüpp niedertrampeln muss, kommen wir nur sehr langsam voran. Als einer fragt, wie lange wir noch brauchen bis zu den Gorillas, heißt es:
Ca. 400 – 500 m. In diesem unwegsamen Gelände kann das 1 Stunde bedeuten.
Trotzdem macht das Gestolpere allen irren Spaß. Am Ende ist es „nur“ eine halbe Stunde, bis wir die Tracker erreichen und unsere Sachen ablegen können.
Nach den letzten Metern Gestrüpp präsentiert sich uns gleich der SR in voller Breite.
Wir hören ihn schon Lagerplatz der Tracker aus Pflanzen abreißen und schmatzen.
Im Moment mampft er Sellerie an Klette.
Die Fotobedingungen sind optimal. Der Dicke sitzt auf platt gewalztem Buschwerk in der Sonne. Auch um ihn herum raschelt das Grün. Überall gucken schwarze kauende Gesichter hervor. Aber sobald die Ranger den Weg für uns etwas frei gemacht haben, drehen uns die Tiere entweder den Rück zu oder sie trollen sich ganz. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir stören.
Nachdem wir auf diese Weise einmal im Kreis gelaufen sind, landen wir vor einem dicken Ast, der ungefähr in Bauchnabel-Höhe quer über einem Weg liegt und eine natürliche Turnstange bildet.
Ein Juveniler übt gerade Felgaufschwung, der wegen seines schweren Hinterteils aber immer wieder misslingt. Nur mit den Fußsohlen kann er die Stange berühren.
Sein 8 Monate alter Bruder schleicht sich von seitwärts über die Stange an und lässt sich auf den schwanzlastigen Turnbruder einfach drauffallen, was – als beide am Boden liegen – zu einer kleinen Rauferei führt. Am Ende lässt der Größere den Kleineren zwar los, verpasst ihm aber im Umdrehen noch einen hinterhältigen seitlichen Tritt.
Der Kleine nimmt das nicht weiter krumm und beginnt das Spiel von vorn: Wieder auf den Ast, dem Bruder die Turnübung versauen, der sich am Boden mit einem sidestep in die Hüfte des Jüngeren rächt.
Das geht eine ganze Weile so, bis mir auffällt, dass im Hintergrund auf dem Weg der SR liegt und vorgibt, ein Nickerchen zu machen, tatsächlich aber seine offsprings bewacht.
Dann müssen wir gerade mal wieder beiseite treten, weil eine Gorilla-Dame an uns vorbei-
marschieren will. Sie zeigt uns sehr deutlich, dass das hier ihr Territorium ist und wir im Weg stehen.
So schwer es auch fällt – die Zeit ist rum. Der Rückweg durchs Gestrüpp bis zur Mauer und den Jeeps will kein Ende nehmen. Um 15.00 Uhr sind wir wieder am Büro des NP.
Auch hier bekomme ich statt der erbetenen einen Urkunde mit den 3 Trekking-Daten nun doch 3 Zertifikate. Und auch hier gibt es Fotoserien der Gorilla-Gruppen. Leider ist just die von der Dreizehn nicht mehr vorrätig.
Als hätte ich schon was geahnt, frage ich Brighton, ob die Grenze hier irgendwann zugemacht wird. Ja, sagt er mit besorgtem Gesicht, so gegen 17.00 Uhr.
Schlagartig wird mir klar, dass ich meine Vorfreude auf eine Dusche vergessen kann und –
egal, wie verschwitzt ich jetzt bin – im Hotel nur noch schnell meine Sachen zusammenraffen kann, die ich zum Glück schon fertig gepackt hatte.
Stress ist angesagt.
Hastig verstaue ich noch mein Deo und Zahnputzzeug, als die beiden auch schon vor meinem Bungalow stehen und mir beim Tragen helfen wollen.
Um 16.30 Uhr stehen wir an der Grenze, füllen wieder endlos Formulare aus, kommen aber binnen 30 Min. durch und sind um 18.00 Uhr endlich im Kisoro Tourist Hotel.
Ich bitte Lamech und Brighton, sie mögen nicht mit dem Abendessen auf mich warten, weil ich erst mal duschen und meine wild zusammen gekramten Sachen ordnen möchte.
Leggings, grüne Turnschuhe und das Flugzeugtäschchen bleiben in Uganda.
Wanderschuhe putzen, so gut es geht für den morgigen Flug.
Dann gehe ich runter zum Essen, bekomme Fisch in Tomatensauce und leckere Röstkartoffeln mit Rosmarin-Kruste.
Gegen 22.00 Uhr ist Zapfenstreich.
Die Erlebnisse des heutigen Tages zu verdauen, muss ich mir für morgen aufheben, wenn ich im Flieger sitze.
7. 6. 06 Mi
Um 4.00 Uhr morgens geruht ein Gast mit lautem Getöse aus diesem sehr hellhörigen Hotel abzureisen (dünne Wände, Metalltüren).
Ansonsten versucht mich nachts eine Mücke zu stören – die einzige, die ich während dieser ganzen Reise gehört habe.
Das Frühstücks-„Buffet“ um 7.00 Uhr besteht aus Cornflakes, Milch, Obst, Toastbrot und Eiern in allen Variationen. Eine dreiviertel Stunde später sitzen wir im Jeep und lassen uns bis Kabale noch mal gründlich durchschütteln. Ab dann gibt es wieder asphaltierte Straßen.
Zum Mittagessen halten wir in Mbarara in einem Hotel. Das vegetarische Curry dort steht dem vom Gorilla Nest um nichts nach (5.000 USh.)
Bei einem weiteren Stopp zum Tanken treffe ich im Hintergrund der Zapfsäulen einen alten
zahnlosen Mann, der vor etwas Undefinierbarem sitzt, das qualmt.
Ich frage ihn, was er dort mache, und er erzählt mir stolz: Ich arbeite! Ich habe hier eine Arbeit als cleaner. – Sehr gut! sage ich, das ist wichtig, dass hier nicht all der Müll herumliegt, sondern jemand sich darum kümmert, dass es sauber aussieht. Bei uns gibt es auch viele Leute, die schlecht erzogen sind und einfach ihr Papier, leere Schachteln und anderen Kram einfach so in die Gegend werfen. Da brauchen wir auch cleaner, um die Straßen sauber zu halten.
Ich bitte ihn, meine Zigarettenkippen aus meinem kleinen Taschen-Aschenbecher auch gleich zu verbrennen, plaudere noch ein wenig mit ihm, dann ruft mich Brighton, dass wir weiterfahren können.
Er macht einen kleinen Umweg zu einem See, in dessen Mitte auf einer Insel ein Baum steht, mit dem es in früherer Zeit eine besondere Bewandtnis hatte: Junge Mädchen, die unverheiratet schwanger wurden, hat man zur Strafe an diesem Baum festgebunden, um für die restliche weibliche Dorfgemeinschaft ein Exempel zu statuieren.
Ich frage Brighton, ob die Männer, die die Mädchen geschwängert haben, auch bestraft wurden. Schließlich dürfte in so einem kleinen Dorf ja niemandem verborgen bleiben, wer mit wem.
Und prompt fängt der sonst so beredte Brighton an zu stottern, muss aber einräumen, dass es hier nicht Brauch ist, den Männern solche „Fehltritte“ als Sünde anzukreiden.
Ich hatte auch nichts anderes erwartet.
Während wir über die Landstraßen preschen, bleibt mein Blick an einem Stapel Särge hängen, die dort offenbar in Serie produziert werden. Aber was ist das?? Die Särge haben seitlich am Kopfteil Glasfenster!!
Sofort frage ich Brighton: Wozu machen die da Fenster rein? – Zum Reingucken oder zum Rausgucken?
Nach 540 km Fahrt sind wir um 18.00 Uhr in Kampala und auf Nebenstrecken 1 Std. später am Flughafen in Entebbe. Letztlich war die lange Rückfahrt doch erträglicher als ich befürchtet hatte.
Abschied von Lamech und Brighton.
Für beide habe ich einen Umschlag vorbereitet und bedanke mich nun ganz herzlich für ihre Begleitung, die ich sehr genossen habe. Des Lobes voll, warne ich sie, das jetzt als rührselige Schmeichelei zu verstehen. Vorhin an der Tankstelle hatte mir Brighton plötzlich sein Handy gegeben und gesagt, sein Chef möchte mich gern sprechen.
Ich konnte mir schon denken, warum. Er wollte von mir hören, wie es so gelaufen ist und ob ich zufrieden war. Deswegen wendete ich mich beim Telefonieren nicht ab, sondern blieb bei den beiden stehen, damit sie alles mithören können. Neben einigen Details, die mir besonders gut an seinen Angestellten gefallen haben, riet ich dem Herrn Chef nämlich auch, Lamech und Brighton bald mal eine Gehaltserhöhung zu spendieren, damit sie sich nicht nach einer besser bezahlten Stelle umsehen – das wäre ein echter Verlust für die Agentur!
Nach meiner Abschiedsrede sagte ich: So, nun machen Sie aber beide, dass Sie nach Hause kommen! Sie haben heute Überstunden geleistet, sind bestimmt müde und haben ein Recht auf Ihren Feierabend! Mich können Sie hier ruhig stehen lassen. Ich werde es mir irgendwo gemütlich machen und mein Reise-Tagebuch zu Ende schreiben – Tschüß!
Die Maschine, die aus Nairobi kommt und uns nach Brüssel fliegen soll, landet super pünktlich um 22.10 Uhr.
Ich vertrödle meine Zeit in den Geschäften der Abflughalle, wo ich tatsächlich noch Arabica-Kaffee finde, den zu kaufen ich ganz vergessen hatte. Auch ein Exemplar für meine Sammlung „schräger Vögel“ finde ich noch und wider Erwarten auch eine Lounge, die ich beim letzten Mal gar nicht erst gesucht hatte, weil wir ja in einer Gruppe reisten und ich mit den anderen noch plaudern wollte.
Der große ungemütliche Saal ist durch einen Bar-Bereich geteilt, zu dem potenzielle Alkis aber – anders als bei KLM und Lufthansa – keinen freien Zugriff haben. Links die weitläufigen ledernen Sitzgruppen, rechts auch, aber mit laufender Glotze.
Ich bleibe links, hole mir aus dem Kühlregal nur eine Ingwer-Limo und Muffins, lasse mich in die Lederpolster fallen und begreife wohl erst jetzt, dass mein Urlaub zu Ende ist.
Viel erhofft, alles erreicht, ohne irgendwelche Zwischenfälle. Besser konnte es einfach nicht laufen.
Inzwischen ist es Zeit für die letzte Passkontrolle, nach der wir mit leichter Verspätung
(20 Min.) abheben. Keine Frage, dass der captain die wieder reinholt. Warum bin ich bloß erst durch Uganda auf diese Airline gestoßen? Sie war mir schon 2004 so angenehm aufgefallen.
Die Bestuhlung in der Busi ist noch ein bisschen bequemer als beim Hinflug, der Neigungswinkel der Rückenlehnen fast waagerecht, so dass ich mich in Seitenlage ausstrecken kann. Nach dem leichten Abendessen und einem kleinen Glas Wein schlafe ich durch, bis mich die Stewardess ein halbe Stunde vor der Landung in Brüssel weckt und sogar fragt, ob sie mir noch schnell ein Frühstück servieren darf.
Nein danke, nur kein Stress jetzt.
Die knappen 8 Stunden Flug kamen mir vor wie eine Fahrt mit der U-Bahn von der Berliner Straße zum Rathaus Spandau. So machen Langstreckenflüge richtig Spaß.
Nach der Landung in Brüssel hole ich nach, was ich eigentlich 2004 schon tun wollte:
Eine der zahlreichen Skulpturen im Flughafen mal genauer unter die Lupe nehmen.
Da war doch dieses komische „Ei mit Ohren“. Oder war es ein Arsch mit Ohren?
Im Terminal A finde ich das Objekt wieder und sehe nun, dass meine Erinnerung etwas ungenau war: Es ist ein Ei mit Händen, die wie Ohren aussehen.
In der Lounge checke ich schon mal meinen @-Briefkasten, finde die französische Tastatur aber etwas verwirrend, weil mein 10-Finger-System darauf nicht funktioniert.
G l ü c k i s t ,
in nur 2 m Entfernung neben einem 200 kg schweren Silberrücken sitzen zu dürfen, der mich ignoriert.
Diese Reise wurde organisiert vom Reisebüro Colibri, dem Spezialisten für Uganda Reisen.
Position
Breite: 4°12’N und 1°029S
Länge: 29° 34’E und 35°OW
Höhe
Minimum (über dem Meer waagerecht ausgerichtet ): 620 Meter
Maximum (über Meer-Niveau Millitorr Rwenzori): 5.110 Meter
Klima
Kampala: Jahrbuchmitteltemperatur: 22.0° C
Kampala: Jährlicher Niederschlag: 1.180 mm
Eckdaten
Staatsform: Republik
Präsident: H.E. Yoweri Kaguta Museveni
Hauptstadt: Kampala
Sprache: English, Luganda, Swahili
Währung: Uganda Shillings
Zugelassenes System
Gegründet auf englischem Gesetz und neuer Verordnung 1955
Demographie
Gesamtbevölkerung (2002): 24.7 Millionen
Weibliche Bevölkerung (2002): 12.6 Millionen
Männliche Bevölkerung (2002): 12.1 Millionen
Prozentsatz städtisch (2002): 12%
Bevölkerung der Kampala Stadt (2002): 1,208,544
Weibliche Bevölkerung/ Alter 15-54 (2002): 5.4 Millionen
Männliche Bevölkerung/ Alter 15-54 (2002): 5 Millionen
Junge Erwachsene/ Alter 10-24 (2002): 7.9 Millionen
Bevölkerung/ Alter unter 5 Jahren (2002): 3.83 Millionen
Bevölkerung/ Alter 65+ (2002): 0.77 Millionen
Bevölkerung Dichte (2002): 126 Person/km
Zwischen-Censual jährliche Bevölkerung Wachstumsrate (1991-2002): 3.4% per Jahre
Säuglingssterblichkeitsziffer (2000/01): 88 pro 1000 Phasengeburten
Lebenserwartung (1991): 48.1 Jahre
Mann: 45.7 Jahre
Frau: 50.5 Jahre
Bevölkerung pro Arzt (Doktor): 18.575
Ausbildung
Bildungsgrad-Rate (2002): 64%
Religion
Römisch-katholisch: 33%
Protestantisch: 33%
Moslems: 16%
Naturreligion: 18%
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